Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 3. Leipzig, 1837.59. Nie der Erscheinung siehst du völlig auf den Grund, Die Dinge thun sich nur durch ihre Wirkung kund. Erklären magst du sie dir, wie du willst, mein Kind, Die Hauptsach' aber ist: sie brauchen, wie sie sind. Du siehst: damit dis Naß vom Heber fließe, muß Länger sein äußrer seyn, kürzer sein innrer Fuß. Dann gnügt ein Mundeshauch, so steigts von selbst im Rohr Im kürzeren, und fließt im längeren hervor. Warum? ob du's begreifst, das ist nicht von Gewicht; Doch nimmst du ihn verkehrt, so fließt der Heber nicht. Die Dinge der Natur stehn unter Zauberbann, Und der beherrscht sie, wer das Wort aussprechen kann. Es auszusprechen gnügt, ob oder nicht verstanden; Und ganz es zu verstehn, ist noch nicht Zeit vorhanden. 59. Nie der Erſcheinung ſiehſt du voͤllig auf den Grund, Die Dinge thun ſich nur durch ihre Wirkung kund. Erklaͤren magſt du ſie dir, wie du willſt, mein Kind, Die Hauptſach' aber iſt: ſie brauchen, wie ſie ſind. Du ſiehſt: damit dis Naß vom Heber fließe, muß Laͤnger ſein aͤußrer ſeyn, kuͤrzer ſein innrer Fuß. Dann gnuͤgt ein Mundeshauch, ſo ſteigts von ſelbſt im Rohr Im kuͤrzeren, und fließt im laͤngeren hervor. Warum? ob du's begreifſt, das iſt nicht von Gewicht; Doch nimmſt du ihn verkehrt, ſo fließt der Heber nicht. Die Dinge der Natur ſtehn unter Zauberbann, Und der beherrſcht ſie, wer das Wort ausſprechen kann. Es auszuſprechen gnuͤgt, ob oder nicht verſtanden; Und ganz es zu verſtehn, iſt noch nicht Zeit vorhanden. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0060" n="50"/> <div n="2"> <head>59.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Nie der Erſcheinung ſiehſt du voͤllig auf den Grund,</l><lb/> <l>Die Dinge thun ſich nur durch ihre Wirkung kund.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Erklaͤren magſt du ſie dir, wie du willſt, mein Kind,</l><lb/> <l>Die Hauptſach' aber iſt: ſie brauchen, wie ſie ſind.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Du ſiehſt: damit dis Naß vom Heber fließe, muß</l><lb/> <l>Laͤnger ſein aͤußrer ſeyn, kuͤrzer ſein innrer Fuß.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Dann gnuͤgt ein Mundeshauch, ſo ſteigts von ſelbſt im Rohr</l><lb/> <l>Im kuͤrzeren, und fließt im laͤngeren hervor.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Warum? ob du's begreifſt, das iſt nicht von Gewicht;</l><lb/> <l>Doch nimmſt du ihn verkehrt, ſo fließt der Heber nicht.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Die Dinge der Natur ſtehn unter Zauberbann,</l><lb/> <l>Und der beherrſcht ſie, wer das Wort ausſprechen kann.</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>Es auszuſprechen gnuͤgt, ob oder nicht verſtanden;</l><lb/> <l>Und ganz es zu verſtehn, iſt noch nicht Zeit vorhanden.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [50/0060]
59.
Nie der Erſcheinung ſiehſt du voͤllig auf den Grund,
Die Dinge thun ſich nur durch ihre Wirkung kund.
Erklaͤren magſt du ſie dir, wie du willſt, mein Kind,
Die Hauptſach' aber iſt: ſie brauchen, wie ſie ſind.
Du ſiehſt: damit dis Naß vom Heber fließe, muß
Laͤnger ſein aͤußrer ſeyn, kuͤrzer ſein innrer Fuß.
Dann gnuͤgt ein Mundeshauch, ſo ſteigts von ſelbſt im Rohr
Im kuͤrzeren, und fließt im laͤngeren hervor.
Warum? ob du's begreifſt, das iſt nicht von Gewicht;
Doch nimmſt du ihn verkehrt, ſo fließt der Heber nicht.
Die Dinge der Natur ſtehn unter Zauberbann,
Und der beherrſcht ſie, wer das Wort ausſprechen kann.
Es auszuſprechen gnuͤgt, ob oder nicht verſtanden;
Und ganz es zu verſtehn, iſt noch nicht Zeit vorhanden.
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