Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 3. Leipzig, 1837.Doch ärmer werden soll kein Geist, wenn angehaucht Von ihm ein andrer auch nun brennet oder raucht: Klagst du, daß etwas durch Mittheilung dir entgeht, O schäme dich, du bist ein Schwamm, und kein Magnet. 58. Du siehst ein Andres als du hörest, und du schmeckest Und riechst ein Andres als du durchs Gefühl entdeckest, Am Ding, von welchem du verschiedne Kund' einziehst, Wie du es fühlest, riechst, schmeckst, hörest oder siehst. Auch ist kein Zweifel, daß, sobald ein Sinn dir fehlt, Gleich eine Seite sich vom Dinge dir verhehlt; Die wichtigste villeicht, wenn grade dir entweicht Der Sinn, durch den das Ding vorzüglich dich erreicht; Wie ja ein Blinder mit all seinen andern Sinnen Den Farben eines Bilds kann wenig abgewinnen. Drum, wenn dir zu Gebot mehr als fünf Sinne stünden, So würdest du auch mehr als jetzt vom Ding ergründen; Doch aͤrmer werden ſoll kein Geiſt, wenn angehaucht Von ihm ein andrer auch nun brennet oder raucht: Klagſt du, daß etwas durch Mittheilung dir entgeht, O ſchaͤme dich, du biſt ein Schwamm, und kein Magnet. 58. Du ſiehſt ein Andres als du hoͤreſt, und du ſchmeckeſt Und riechſt ein Andres als du durchs Gefuͤhl entdeckeſt, Am Ding, von welchem du verſchiedne Kund' einziehſt, Wie du es fuͤhleſt, riechſt, ſchmeckſt, hoͤreſt oder ſiehſt. Auch iſt kein Zweifel, daß, ſobald ein Sinn dir fehlt, Gleich eine Seite ſich vom Dinge dir verhehlt; Die wichtigſte villeicht, wenn grade dir entweicht Der Sinn, durch den das Ding vorzuͤglich dich erreicht; Wie ja ein Blinder mit all ſeinen andern Sinnen Den Farben eines Bilds kann wenig abgewinnen. Drum, wenn dir zu Gebot mehr als fuͤnf Sinne ſtuͤnden, So wuͤrdeſt du auch mehr als jetzt vom Ding ergruͤnden; <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0058" n="48"/> <lg n="5"> <l>Doch aͤrmer werden ſoll kein Geiſt, wenn angehaucht</l><lb/> <l>Von ihm ein andrer auch nun brennet oder raucht:</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Klagſt du, daß etwas durch Mittheilung dir entgeht,</l><lb/> <l>O ſchaͤme dich, du biſt ein Schwamm, und kein Magnet.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head>58.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Du ſiehſt ein Andres als du hoͤreſt, und du ſchmeckeſt</l><lb/> <l>Und riechſt ein Andres als du durchs Gefuͤhl entdeckeſt,</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Am Ding, von welchem du verſchiedne Kund' einziehſt,</l><lb/> <l>Wie du es fuͤhleſt, riechſt, ſchmeckſt, hoͤreſt oder ſiehſt.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Auch iſt kein Zweifel, daß, ſobald ein Sinn dir fehlt,</l><lb/> <l>Gleich eine Seite ſich vom Dinge dir verhehlt;</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Die wichtigſte villeicht, wenn grade dir entweicht</l><lb/> <l>Der Sinn, durch den das Ding vorzuͤglich dich erreicht;</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Wie ja ein Blinder mit all ſeinen andern Sinnen</l><lb/> <l>Den Farben eines Bilds kann wenig abgewinnen.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Drum, wenn dir zu Gebot mehr als fuͤnf Sinne ſtuͤnden,</l><lb/> <l>So wuͤrdeſt du auch mehr als jetzt vom Ding ergruͤnden;</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [48/0058]
Doch aͤrmer werden ſoll kein Geiſt, wenn angehaucht
Von ihm ein andrer auch nun brennet oder raucht:
Klagſt du, daß etwas durch Mittheilung dir entgeht,
O ſchaͤme dich, du biſt ein Schwamm, und kein Magnet.
58.
Du ſiehſt ein Andres als du hoͤreſt, und du ſchmeckeſt
Und riechſt ein Andres als du durchs Gefuͤhl entdeckeſt,
Am Ding, von welchem du verſchiedne Kund' einziehſt,
Wie du es fuͤhleſt, riechſt, ſchmeckſt, hoͤreſt oder ſiehſt.
Auch iſt kein Zweifel, daß, ſobald ein Sinn dir fehlt,
Gleich eine Seite ſich vom Dinge dir verhehlt;
Die wichtigſte villeicht, wenn grade dir entweicht
Der Sinn, durch den das Ding vorzuͤglich dich erreicht;
Wie ja ein Blinder mit all ſeinen andern Sinnen
Den Farben eines Bilds kann wenig abgewinnen.
Drum, wenn dir zu Gebot mehr als fuͤnf Sinne ſtuͤnden,
So wuͤrdeſt du auch mehr als jetzt vom Ding ergruͤnden;
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