Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 3. Leipzig, 1837.Was für ein Hirngespinst du auch in ihr erkennst, Wenn du in ihr nur siehst kein grinsendes Gespenst, Wie solch ein kranker Geist, der seine Todeswunden Gern fühlet überall, macht aus der kerngesunden. 55. Was glänzt, daß du es siehst, ist gleichsam im Verbrennen; Die Farben werden sich davon wie Funken trennen. Was schallt, daß du es hörst, ist nah dran zu zerspringen; Nur durch Erschütterung vermag's dich anzuklingen. Was duftet, daß du's riechst, und was du schmeckest gar, In diesem nimmst du leicht der Theil' Auflösung wahr. Und das was dich berührt, daß es dein Finger spürt, Ist seinem Untergang entgegen so geführt, Wenn alles auch so leicht nicht der Zerstörung Staub Wird durch Berührung, wie des Silfen Flügelstaub. Dem Sinne kann die Welt nicht anders kund sich geben Als nur im Uebergang zum Tode von dem Leben. Was fuͤr ein Hirngeſpinſt du auch in ihr erkennſt, Wenn du in ihr nur ſiehſt kein grinſendes Geſpenſt, Wie ſolch ein kranker Geiſt, der ſeine Todeswunden Gern fuͤhlet uͤberall, macht aus der kerngeſunden. 55. Was glaͤnzt, daß du es ſiehſt, iſt gleichſam im Verbrennen; Die Farben werden ſich davon wie Funken trennen. Was ſchallt, daß du es hoͤrſt, iſt nah dran zu zerſpringen; Nur durch Erſchuͤtterung vermag's dich anzuklingen. Was duftet, daß du's riechſt, und was du ſchmeckeſt gar, In dieſem nimmſt du leicht der Theil' Aufloͤſung wahr. Und das was dich beruͤhrt, daß es dein Finger ſpuͤrt, Iſt ſeinem Untergang entgegen ſo gefuͤhrt, Wenn alles auch ſo leicht nicht der Zerſtoͤrung Staub Wird durch Beruͤhrung, wie des Silfen Fluͤgelſtaub. Dem Sinne kann die Welt nicht anders kund ſich geben Als nur im Uebergang zum Tode von dem Leben. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0056" n="46"/> <lg n="3"> <l>Was fuͤr ein Hirngeſpinſt du auch in ihr erkennſt,</l><lb/> <l>Wenn du in ihr nur ſiehſt kein grinſendes Geſpenſt,</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Wie ſolch ein kranker Geiſt, der ſeine Todeswunden</l><lb/> <l>Gern fuͤhlet uͤberall, macht aus der kerngeſunden.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head>55.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Was glaͤnzt, daß du es ſiehſt, iſt gleichſam im Verbrennen;</l><lb/> <l>Die Farben werden ſich davon wie Funken trennen.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Was ſchallt, daß du es hoͤrſt, iſt nah dran zu zerſpringen;</l><lb/> <l>Nur durch Erſchuͤtterung vermag's dich anzuklingen.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Was duftet, daß du's riechſt, und was du ſchmeckeſt gar,</l><lb/> <l>In dieſem nimmſt du leicht der Theil' Aufloͤſung wahr.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Und das was dich beruͤhrt, daß es dein Finger ſpuͤrt,</l><lb/> <l>Iſt ſeinem Untergang entgegen ſo gefuͤhrt,</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Wenn alles auch ſo leicht nicht der Zerſtoͤrung Staub</l><lb/> <l>Wird durch Beruͤhrung, wie des Silfen Fluͤgelſtaub.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Dem Sinne kann die Welt nicht anders kund ſich geben</l><lb/> <l>Als nur im Uebergang zum Tode von dem Leben.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [46/0056]
Was fuͤr ein Hirngeſpinſt du auch in ihr erkennſt,
Wenn du in ihr nur ſiehſt kein grinſendes Geſpenſt,
Wie ſolch ein kranker Geiſt, der ſeine Todeswunden
Gern fuͤhlet uͤberall, macht aus der kerngeſunden.
55.
Was glaͤnzt, daß du es ſiehſt, iſt gleichſam im Verbrennen;
Die Farben werden ſich davon wie Funken trennen.
Was ſchallt, daß du es hoͤrſt, iſt nah dran zu zerſpringen;
Nur durch Erſchuͤtterung vermag's dich anzuklingen.
Was duftet, daß du's riechſt, und was du ſchmeckeſt gar,
In dieſem nimmſt du leicht der Theil' Aufloͤſung wahr.
Und das was dich beruͤhrt, daß es dein Finger ſpuͤrt,
Iſt ſeinem Untergang entgegen ſo gefuͤhrt,
Wenn alles auch ſo leicht nicht der Zerſtoͤrung Staub
Wird durch Beruͤhrung, wie des Silfen Fluͤgelſtaub.
Dem Sinne kann die Welt nicht anders kund ſich geben
Als nur im Uebergang zum Tode von dem Leben.
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