Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 3. Leipzig, 1837.46. Die Sonne, die soviel ist größer als die Erde, Ist sie die Hirtin, und die Erd' ein Lamm der Herde? Ist sie die goldne Trift, mit Flammengras bekleidet, Worauf die Erde mit den andern Lämmern weidet? Ist sie der Bronnen, der mit Glanz die Herde tränkt? Die Hürd', in welche sie wird Abends eingelenkt? Ob Hirtin oder Trift, ob Bronnen oder Hürde, Sie hat ein schönes Amt und eine hohe Würde. Wenn Hirtin, hüte sie mit treuem Blick die ihren; Wol aus den Augen wird sie leicht kein Stück verlieren. Wenn Trift, so treibe sie mit ew'gen Frühlingstrieben, Und lustgetrieben gehn die Lämmer nach Belieben. Wenn Bronnen, sei sie uns voll stets vom Thau der Gnaden; Wenn Hürde, sammle sie die Herd' ein ohne Schaden. Ein schöner Sommertag, den ausgesprungen habend, Die müde Herde sucht den warmen Stall am Abend. 46. Die Sonne, die ſoviel iſt groͤßer als die Erde, Iſt ſie die Hirtin, und die Erd' ein Lamm der Herde? Iſt ſie die goldne Trift, mit Flammengras bekleidet, Worauf die Erde mit den andern Laͤmmern weidet? Iſt ſie der Bronnen, der mit Glanz die Herde traͤnkt? Die Huͤrd', in welche ſie wird Abends eingelenkt? Ob Hirtin oder Trift, ob Bronnen oder Huͤrde, Sie hat ein ſchoͤnes Amt und eine hohe Wuͤrde. Wenn Hirtin, huͤte ſie mit treuem Blick die ihren; Wol aus den Augen wird ſie leicht kein Stuͤck verlieren. Wenn Trift, ſo treibe ſie mit ew'gen Fruͤhlingstrieben, Und luſtgetrieben gehn die Laͤmmer nach Belieben. Wenn Bronnen, ſei ſie uns voll ſtets vom Thau der Gnaden; Wenn Huͤrde, ſammle ſie die Herd' ein ohne Schaden. Ein ſchoͤner Sommertag, den ausgeſprungen habend, Die muͤde Herde ſucht den warmen Stall am Abend. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0049" n="39"/> <div n="2"> <head>46.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Die Sonne, die ſoviel iſt groͤßer als die Erde,</l><lb/> <l>Iſt ſie die Hirtin, und die Erd' ein Lamm der Herde?</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Iſt ſie die goldne Trift, mit Flammengras bekleidet,</l><lb/> <l>Worauf die Erde mit den andern Laͤmmern weidet?</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Iſt ſie der Bronnen, der mit Glanz die Herde traͤnkt?</l><lb/> <l>Die Huͤrd', in welche ſie wird Abends eingelenkt?</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Ob Hirtin oder Trift, ob Bronnen oder Huͤrde,</l><lb/> <l>Sie hat ein ſchoͤnes Amt und eine hohe Wuͤrde.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Wenn Hirtin, huͤte ſie mit treuem Blick die ihren;</l><lb/> <l>Wol aus den Augen wird ſie leicht kein Stuͤck verlieren.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Wenn Trift, ſo treibe ſie mit ew'gen Fruͤhlingstrieben,</l><lb/> <l>Und luſtgetrieben gehn die Laͤmmer nach Belieben.</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>Wenn Bronnen, ſei ſie uns voll ſtets vom Thau der Gnaden;</l><lb/> <l>Wenn Huͤrde, ſammle ſie die Herd' ein ohne Schaden.</l> </lg><lb/> <lg n="8"> <l>Ein ſchoͤner Sommertag, den ausgeſprungen habend,</l><lb/> <l>Die muͤde Herde ſucht den warmen Stall am Abend.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [39/0049]
46.
Die Sonne, die ſoviel iſt groͤßer als die Erde,
Iſt ſie die Hirtin, und die Erd' ein Lamm der Herde?
Iſt ſie die goldne Trift, mit Flammengras bekleidet,
Worauf die Erde mit den andern Laͤmmern weidet?
Iſt ſie der Bronnen, der mit Glanz die Herde traͤnkt?
Die Huͤrd', in welche ſie wird Abends eingelenkt?
Ob Hirtin oder Trift, ob Bronnen oder Huͤrde,
Sie hat ein ſchoͤnes Amt und eine hohe Wuͤrde.
Wenn Hirtin, huͤte ſie mit treuem Blick die ihren;
Wol aus den Augen wird ſie leicht kein Stuͤck verlieren.
Wenn Trift, ſo treibe ſie mit ew'gen Fruͤhlingstrieben,
Und luſtgetrieben gehn die Laͤmmer nach Belieben.
Wenn Bronnen, ſei ſie uns voll ſtets vom Thau der Gnaden;
Wenn Huͤrde, ſammle ſie die Herd' ein ohne Schaden.
Ein ſchoͤner Sommertag, den ausgeſprungen habend,
Die muͤde Herde ſucht den warmen Stall am Abend.
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