Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 3. Leipzig, 1837.163. Neuseß, Herbst 1836.Mein Lieblingsaufenthalt, noch einmal recht zum Schluß Lachst du mich freundlich an, eh ich dich lassen muß. Gern thatest du es ehr, das Wetter litt es nicht, Doch lächeln hilft dir nun Herbstabendpurpurlicht. Ja lächeln helfe dir der Himmel und die Erde! Wer weiß, ob ich so schön noch einmal sehn dich werde. Ists doch als wüßtest du's, daß nun sich muß entscheiden, Ob ich dich künftig noch besuchen soll, ob meiden. So schmückst du dich gefallbegierig meinen Blicken, Und von Gewohntem läßt sich gern mein Herz bestricken. Wo blühte mir ein Glück, wie das dein Schooß mir trug? Beschränkt, mir aussichtreich, klein, eng, mir groß genug; Ansprechend anspruchlos, lieb, weil vorlieb ich nehme, Behaglich und bequem, weil ich mich still bequeme: Freu dich! noch manchen Herbst sollst du mich wieder sehn, Und Lieder, diesen gleich, auf deiner Flur entstehn. 163. Neuſeß, Herbſt 1836.Mein Lieblingsaufenthalt, noch einmal recht zum Schluß Lachſt du mich freundlich an, eh ich dich laſſen muß. Gern thateſt du es ehr, das Wetter litt es nicht, Doch laͤcheln hilft dir nun Herbſtabendpurpurlicht. Ja laͤcheln helfe dir der Himmel und die Erde! Wer weiß, ob ich ſo ſchoͤn noch einmal ſehn dich werde. Iſts doch als wuͤßteſt du's, daß nun ſich muß entſcheiden, Ob ich dich kuͤnftig noch beſuchen ſoll, ob meiden. So ſchmuͤckſt du dich gefallbegierig meinen Blicken, Und von Gewohntem laͤßt ſich gern mein Herz beſtricken. Wo bluͤhte mir ein Gluͤck, wie das dein Schooß mir trug? Beſchraͤnkt, mir ausſichtreich, klein, eng, mir groß genug; Anſprechend anſpruchlos, lieb, weil vorlieb ich nehme, Behaglich und bequem, weil ich mich ſtill bequeme: Freu dich! noch manchen Herbſt ſollſt du mich wieder ſehn, Und Lieder, dieſen gleich, auf deiner Flur entſtehn. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0254" n="244"/> <div n="2"> <head>163.</head><lb/> <dateline> <hi rendition="#et"><hi rendition="#g">Neuſeß</hi>, Herbſt 1836.</hi> </dateline><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Mein Lieblingsaufenthalt, noch einmal recht zum Schluß</l><lb/> <l>Lachſt du mich freundlich an, eh ich dich laſſen muß.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Gern thateſt du es ehr, das Wetter litt es nicht,</l><lb/> <l>Doch laͤcheln hilft dir nun Herbſtabendpurpurlicht.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Ja laͤcheln helfe dir der Himmel und die Erde!</l><lb/> <l>Wer weiß, ob ich ſo ſchoͤn noch einmal ſehn dich werde.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Iſts doch als wuͤßteſt du's, daß nun ſich muß entſcheiden,</l><lb/> <l>Ob ich dich kuͤnftig noch beſuchen ſoll, ob meiden.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>So ſchmuͤckſt du dich gefallbegierig meinen Blicken,</l><lb/> <l>Und von Gewohntem laͤßt ſich gern mein Herz beſtricken.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Wo bluͤhte mir ein Gluͤck, wie das dein Schooß mir trug?</l><lb/> <l>Beſchraͤnkt, mir ausſichtreich, klein, eng, mir groß genug;</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>Anſprechend anſpruchlos, lieb, weil vorlieb ich nehme,</l><lb/> <l>Behaglich und bequem, weil ich mich ſtill bequeme:</l> </lg><lb/> <lg n="8"> <l>Freu dich! noch manchen Herbſt ſollſt du mich wieder ſehn,</l><lb/> <l>Und Lieder, dieſen gleich, auf deiner Flur entſtehn.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> <back> </back> </text> </TEI> [244/0254]
163.
Neuſeß, Herbſt 1836.
Mein Lieblingsaufenthalt, noch einmal recht zum Schluß
Lachſt du mich freundlich an, eh ich dich laſſen muß.
Gern thateſt du es ehr, das Wetter litt es nicht,
Doch laͤcheln hilft dir nun Herbſtabendpurpurlicht.
Ja laͤcheln helfe dir der Himmel und die Erde!
Wer weiß, ob ich ſo ſchoͤn noch einmal ſehn dich werde.
Iſts doch als wuͤßteſt du's, daß nun ſich muß entſcheiden,
Ob ich dich kuͤnftig noch beſuchen ſoll, ob meiden.
So ſchmuͤckſt du dich gefallbegierig meinen Blicken,
Und von Gewohntem laͤßt ſich gern mein Herz beſtricken.
Wo bluͤhte mir ein Gluͤck, wie das dein Schooß mir trug?
Beſchraͤnkt, mir ausſichtreich, klein, eng, mir groß genug;
Anſprechend anſpruchlos, lieb, weil vorlieb ich nehme,
Behaglich und bequem, weil ich mich ſtill bequeme:
Freu dich! noch manchen Herbſt ſollſt du mich wieder ſehn,
Und Lieder, dieſen gleich, auf deiner Flur entſtehn.
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Zitationshilfe: | Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 3. Leipzig, 1837, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane03_1837/254>, abgerufen am 25.07.2024. |