Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 3. Leipzig, 1837.162. Soll ich den nahen Tod dem Todesnahen zeigen? Soll ich dem Sterbenden von seinem Sterben schweigen? -- Vor Augen hatt' er stets in diesem jenes Leben, Gewaltsam brauchst du nicht den Vorhang ihm zu heben. Doch würd' er auch dem Tod mit unbefangnem Blick Ins Antlitz schaun, wie sonst manch anderem Geschick. Ob du den Tod ihm magst verdecken, ob entdecken, Gefärden wirst du dort ihn nicht, hier nicht erschrecken. Doch ists ein wicht'ger Schritt, von hier hinübertreten Ins unbekannte dort, bei dem es ziemt zu beten. Du bet', und frage nicht, ob er auch bete mit; Bete für dich und ihn, wie er hinüber tritt. 162. Soll ich den nahen Tod dem Todesnahen zeigen? Soll ich dem Sterbenden von ſeinem Sterben ſchweigen? — Vor Augen hatt' er ſtets in dieſem jenes Leben, Gewaltſam brauchſt du nicht den Vorhang ihm zu heben. Doch wuͤrd' er auch dem Tod mit unbefangnem Blick Ins Antlitz ſchaun, wie ſonſt manch anderem Geſchick. Ob du den Tod ihm magſt verdecken, ob entdecken, Gefaͤrden wirſt du dort ihn nicht, hier nicht erſchrecken. Doch iſts ein wicht'ger Schritt, von hier hinuͤbertreten Ins unbekannte dort, bei dem es ziemt zu beten. Du bet', und frage nicht, ob er auch bete mit; Bete fuͤr dich und ihn, wie er hinuͤber tritt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0253" n="243"/> <div n="2"> <head>162.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Soll ich den nahen Tod dem Todesnahen zeigen?</l><lb/> <l>Soll ich dem Sterbenden von ſeinem Sterben ſchweigen? —</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Vor Augen hatt' er ſtets in dieſem jenes Leben,</l><lb/> <l>Gewaltſam brauchſt du nicht den Vorhang ihm zu heben.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Doch wuͤrd' er auch dem Tod mit unbefangnem Blick</l><lb/> <l>Ins Antlitz ſchaun, wie ſonſt manch anderem Geſchick.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Ob du den Tod ihm magſt verdecken, ob entdecken,</l><lb/> <l>Gefaͤrden wirſt du dort ihn nicht, hier nicht erſchrecken.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Doch iſts ein wicht'ger Schritt, von hier hinuͤbertreten</l><lb/> <l>Ins unbekannte dort, bei dem es ziemt zu beten.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Du bet', und frage nicht, ob er auch bete mit;</l><lb/> <l>Bete fuͤr dich und ihn, wie er hinuͤber tritt.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [243/0253]
162.
Soll ich den nahen Tod dem Todesnahen zeigen?
Soll ich dem Sterbenden von ſeinem Sterben ſchweigen? —
Vor Augen hatt' er ſtets in dieſem jenes Leben,
Gewaltſam brauchſt du nicht den Vorhang ihm zu heben.
Doch wuͤrd' er auch dem Tod mit unbefangnem Blick
Ins Antlitz ſchaun, wie ſonſt manch anderem Geſchick.
Ob du den Tod ihm magſt verdecken, ob entdecken,
Gefaͤrden wirſt du dort ihn nicht, hier nicht erſchrecken.
Doch iſts ein wicht'ger Schritt, von hier hinuͤbertreten
Ins unbekannte dort, bei dem es ziemt zu beten.
Du bet', und frage nicht, ob er auch bete mit;
Bete fuͤr dich und ihn, wie er hinuͤber tritt.
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