Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 3. Leipzig, 1837.Er selber kann dich auch nicht lassen unvollkommen; Vollkommen will er dich, und all dein Thun vollkommen. Vollkommen wirst du seyn, weil er vollkommen ist; Vollkommen ist er nur, wenn du vollkommen bist. 105. Hat doch des Kindes Fuß das Gehn gelernt durch Fallen, Und seine Zunge auch das Reden nur durch Lallen. Ich selber falle noch, wenn ich will zu dir gehn, O Herr, ich lalle noch, soll ich dir Rede stehn! Ich bin vor dir ein Kind, und weiß, an Einsicht blind, Nur dis aus mir, wie lieb mir meine Kinder sind. Die Kinder wissen nicht, wie sie der Vater liebt; Das weiß nur der, dem selbst der Vater Kinder giebt. Sie selber wissen nicht, wie lieb mir sei ihr Lallen, Und daß nicht um die Welt ich eines ließe fallen. Er ſelber kann dich auch nicht laſſen unvollkommen; Vollkommen will er dich, und all dein Thun vollkommen. Vollkommen wirſt du ſeyn, weil er vollkommen iſt; Vollkommen iſt er nur, wenn du vollkommen biſt. 105. Hat doch des Kindes Fuß das Gehn gelernt durch Fallen, Und ſeine Zunge auch das Reden nur durch Lallen. Ich ſelber falle noch, wenn ich will zu dir gehn, O Herr, ich lalle noch, ſoll ich dir Rede ſtehn! Ich bin vor dir ein Kind, und weiß, an Einſicht blind, Nur dis aus mir, wie lieb mir meine Kinder ſind. Die Kinder wiſſen nicht, wie ſie der Vater liebt; Das weiß nur der, dem ſelbſt der Vater Kinder giebt. Sie ſelber wiſſen nicht, wie lieb mir ſei ihr Lallen, Und daß nicht um die Welt ich eines ließe fallen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0208" n="198"/> <lg n="4"> <l>Er ſelber kann dich auch nicht laſſen unvollkommen;</l><lb/> <l>Vollkommen will er dich, und all dein Thun vollkommen.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Vollkommen wirſt du ſeyn, weil er vollkommen iſt;</l><lb/> <l>Vollkommen iſt er nur, wenn du vollkommen biſt.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head>105.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Hat doch des Kindes Fuß das Gehn gelernt durch Fallen,</l><lb/> <l>Und ſeine Zunge auch das Reden nur durch Lallen.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Ich ſelber falle noch, wenn ich will zu dir gehn,</l><lb/> <l>O Herr, ich lalle noch, ſoll ich dir Rede ſtehn!</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Ich bin vor dir ein Kind, und weiß, an Einſicht blind,</l><lb/> <l>Nur dis aus mir, wie lieb mir meine Kinder ſind.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Die Kinder wiſſen nicht, wie ſie der Vater liebt;</l><lb/> <l>Das weiß nur der, dem ſelbſt der Vater Kinder giebt.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Sie ſelber wiſſen nicht, wie lieb mir ſei ihr Lallen,</l><lb/> <l>Und daß nicht um die Welt ich eines ließe fallen.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [198/0208]
Er ſelber kann dich auch nicht laſſen unvollkommen;
Vollkommen will er dich, und all dein Thun vollkommen.
Vollkommen wirſt du ſeyn, weil er vollkommen iſt;
Vollkommen iſt er nur, wenn du vollkommen biſt.
105.
Hat doch des Kindes Fuß das Gehn gelernt durch Fallen,
Und ſeine Zunge auch das Reden nur durch Lallen.
Ich ſelber falle noch, wenn ich will zu dir gehn,
O Herr, ich lalle noch, ſoll ich dir Rede ſtehn!
Ich bin vor dir ein Kind, und weiß, an Einſicht blind,
Nur dis aus mir, wie lieb mir meine Kinder ſind.
Die Kinder wiſſen nicht, wie ſie der Vater liebt;
Das weiß nur der, dem ſelbſt der Vater Kinder giebt.
Sie ſelber wiſſen nicht, wie lieb mir ſei ihr Lallen,
Und daß nicht um die Welt ich eines ließe fallen.
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Zitationshilfe: | Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 3. Leipzig, 1837, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane03_1837/208>, abgerufen am 25.07.2024. |