Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 3. Leipzig, 1837.80. Wolfeiler kanst du nicht den Fordernden abspeisen, Als ihm, daß er schon was er fordert hat, beweisen. In Ruh genießest du den Ueberfluß der Gaben, Wenn du uns glauben machst, daß wir die Fülle haben. -- "Was fechten Niedere der Höhern Vorrecht an? Sein eigen Vorrecht hat auch der gemeine Mann. "Hat nicht der Bettelmann den Vorzug vor dem Reichen? Er nimmt Almosen an, und dieser muß es reichen. "Du hast, was er dir gab, den Reichen hat die Habe; Es geht kein Herrscherstab vor deinem Bettelstabe. "Dir stihlt, weil er ist leer, kein Dieb den Bettelsack; Leicht trag ihn, und entbehr den schweren Sorgenpack. "Schwer hält dem ird'schen Sinn des Irdischen Entschlagung; Leicht fällt der Hauptgewinn des Lebens dir, Entsagung." -- Ein lust'ger Bettler mag so trösten seinen Sohn, Doch in des Reichen Mund klingt dieser Trost wie Hohn. 80. Wolfeiler kanſt du nicht den Fordernden abſpeiſen, Als ihm, daß er ſchon was er fordert hat, beweiſen. In Ruh genießeſt du den Ueberfluß der Gaben, Wenn du uns glauben machſt, daß wir die Fuͤlle haben. — „Was fechten Niedere der Hoͤhern Vorrecht an? Sein eigen Vorrecht hat auch der gemeine Mann. „Hat nicht der Bettelmann den Vorzug vor dem Reichen? Er nimmt Almoſen an, und dieſer muß es reichen. „Du haſt, was er dir gab, den Reichen hat die Habe; Es geht kein Herrſcherſtab vor deinem Bettelſtabe. „Dir ſtihlt, weil er iſt leer, kein Dieb den Bettelſack; Leicht trag ihn, und entbehr den ſchweren Sorgenpack. „Schwer haͤlt dem ird'ſchen Sinn des Irdiſchen Entſchlagung; Leicht faͤllt der Hauptgewinn des Lebens dir, Entſagung.“ — Ein luſt'ger Bettler mag ſo troͤſten ſeinen Sohn, Doch in des Reichen Mund klingt dieſer Troſt wie Hohn. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0187" n="177"/> <div n="2"> <head>80.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Wolfeiler kanſt du nicht den Fordernden abſpeiſen,</l><lb/> <l>Als ihm, daß er ſchon was er fordert hat, beweiſen.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>In Ruh genießeſt du den Ueberfluß der Gaben,</l><lb/> <l>Wenn du uns glauben machſt, daß wir die Fuͤlle haben. —</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>„Was fechten Niedere der Hoͤhern Vorrecht an?</l><lb/> <l>Sein eigen Vorrecht hat auch der gemeine Mann.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>„Hat nicht der Bettelmann den Vorzug vor dem Reichen?</l><lb/> <l>Er nimmt Almoſen an, und dieſer muß es reichen.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>„Du haſt, was er dir gab, den Reichen hat die Habe;</l><lb/> <l>Es geht kein Herrſcherſtab vor deinem Bettelſtabe.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>„Dir ſtihlt, weil er iſt leer, kein Dieb den Bettelſack;</l><lb/> <l>Leicht trag ihn, und entbehr den ſchweren Sorgenpack.</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>„Schwer haͤlt dem ird'ſchen Sinn des Irdiſchen Entſchlagung;</l><lb/> <l>Leicht faͤllt der Hauptgewinn des Lebens dir, Entſagung.“ —</l> </lg><lb/> <lg n="8"> <l>Ein luſt'ger Bettler mag ſo troͤſten ſeinen Sohn,</l><lb/> <l>Doch in des Reichen Mund klingt dieſer Troſt wie Hohn.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [177/0187]
80.
Wolfeiler kanſt du nicht den Fordernden abſpeiſen,
Als ihm, daß er ſchon was er fordert hat, beweiſen.
In Ruh genießeſt du den Ueberfluß der Gaben,
Wenn du uns glauben machſt, daß wir die Fuͤlle haben. —
„Was fechten Niedere der Hoͤhern Vorrecht an?
Sein eigen Vorrecht hat auch der gemeine Mann.
„Hat nicht der Bettelmann den Vorzug vor dem Reichen?
Er nimmt Almoſen an, und dieſer muß es reichen.
„Du haſt, was er dir gab, den Reichen hat die Habe;
Es geht kein Herrſcherſtab vor deinem Bettelſtabe.
„Dir ſtihlt, weil er iſt leer, kein Dieb den Bettelſack;
Leicht trag ihn, und entbehr den ſchweren Sorgenpack.
„Schwer haͤlt dem ird'ſchen Sinn des Irdiſchen Entſchlagung;
Leicht faͤllt der Hauptgewinn des Lebens dir, Entſagung.“ —
Ein luſt'ger Bettler mag ſo troͤſten ſeinen Sohn,
Doch in des Reichen Mund klingt dieſer Troſt wie Hohn.
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Zitationshilfe: | Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 3. Leipzig, 1837, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane03_1837/187>, abgerufen am 04.07.2024. |