Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 3. Leipzig, 1837.74. So sang ein armer Mann, des einz'ger Reichthum lag An seinem Bienenstand und seinem Taubenschlag: Sie haben all ihr Gut verzäunet und verschanzt, Und was sie pflanzen drin, ist nicht für mich gepflanzt. Ich darf und mag auch nicht durchbrechen ihren Zaun, Und nüchtern ist die Lust, von außen drein zu schaun. Doch wenn ich selbst sie nicht beraube, so berauben Nun meine Bienen sie für mich, und meine Tauben. Die Tauben hier und dort aufpickend Körnersaat, Die Bienen fort und fort eintragend Mundvorrath. Die Tauben füttern mir ihr Junges aus dem Kropf, Die Bienen füllen mir mit Fleiß den Honigtopf. Wenn man vom Acker auch mir scheuchen will die Tauben, So muß man freien Flug den Bienen doch erlauben. Und wenn uns dann im Haus entgeht der fette Braten, So werden wir doch nie der Süßigkeit entrathen. 74. So ſang ein armer Mann, des einz'ger Reichthum lag An ſeinem Bienenſtand und ſeinem Taubenſchlag: Sie haben all ihr Gut verzaͤunet und verſchanzt, Und was ſie pflanzen drin, iſt nicht fuͤr mich gepflanzt. Ich darf und mag auch nicht durchbrechen ihren Zaun, Und nuͤchtern iſt die Luſt, von außen drein zu ſchaun. Doch wenn ich ſelbſt ſie nicht beraube, ſo berauben Nun meine Bienen ſie fuͤr mich, und meine Tauben. Die Tauben hier und dort aufpickend Koͤrnerſaat, Die Bienen fort und fort eintragend Mundvorrath. Die Tauben fuͤttern mir ihr Junges aus dem Kropf, Die Bienen fuͤllen mir mit Fleiß den Honigtopf. Wenn man vom Acker auch mir ſcheuchen will die Tauben, So muß man freien Flug den Bienen doch erlauben. Und wenn uns dann im Haus entgeht der fette Braten, So werden wir doch nie der Suͤßigkeit entrathen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0177" n="167"/> <div n="2"> <head>74.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>So ſang ein armer Mann, des einz'ger Reichthum lag</l><lb/> <l>An ſeinem Bienenſtand und ſeinem Taubenſchlag:</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Sie haben all ihr Gut verzaͤunet und verſchanzt,</l><lb/> <l>Und was ſie pflanzen drin, iſt nicht fuͤr mich gepflanzt.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Ich darf und mag auch nicht durchbrechen ihren Zaun,</l><lb/> <l>Und nuͤchtern iſt die Luſt, von außen drein zu ſchaun.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Doch wenn ich ſelbſt ſie nicht beraube, ſo berauben</l><lb/> <l>Nun meine Bienen ſie fuͤr mich, und meine Tauben.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Die Tauben hier und dort aufpickend Koͤrnerſaat,</l><lb/> <l>Die Bienen fort und fort eintragend Mundvorrath.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Die Tauben fuͤttern mir ihr Junges aus dem Kropf,</l><lb/> <l>Die Bienen fuͤllen mir mit Fleiß den Honigtopf.</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>Wenn man vom Acker auch mir ſcheuchen will die Tauben,</l><lb/> <l>So muß man freien Flug den Bienen doch erlauben.</l> </lg><lb/> <lg n="8"> <l>Und wenn uns dann im Haus entgeht der fette Braten,</l><lb/> <l>So werden wir doch nie der Suͤßigkeit entrathen.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [167/0177]
74.
So ſang ein armer Mann, des einz'ger Reichthum lag
An ſeinem Bienenſtand und ſeinem Taubenſchlag:
Sie haben all ihr Gut verzaͤunet und verſchanzt,
Und was ſie pflanzen drin, iſt nicht fuͤr mich gepflanzt.
Ich darf und mag auch nicht durchbrechen ihren Zaun,
Und nuͤchtern iſt die Luſt, von außen drein zu ſchaun.
Doch wenn ich ſelbſt ſie nicht beraube, ſo berauben
Nun meine Bienen ſie fuͤr mich, und meine Tauben.
Die Tauben hier und dort aufpickend Koͤrnerſaat,
Die Bienen fort und fort eintragend Mundvorrath.
Die Tauben fuͤttern mir ihr Junges aus dem Kropf,
Die Bienen fuͤllen mir mit Fleiß den Honigtopf.
Wenn man vom Acker auch mir ſcheuchen will die Tauben,
So muß man freien Flug den Bienen doch erlauben.
Und wenn uns dann im Haus entgeht der fette Braten,
So werden wir doch nie der Suͤßigkeit entrathen.
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