Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 3. Leipzig, 1837.72. So sprach zum Könige, der mit den Leuten grollte, Die sich nicht besserten, und sich nicht bessern wollte, Sein Narr Geheimerath, als ihn der König fragte, Woher der Unmuth sei, der ihn heut sichtlich plagte? Er sprach: Daher ist er, daß ich der Magd mit Aschen Und Wasser heut befahl die Treppe rein zu waschen. Da wusch sie ungeschickt von unten statt von oben, Und schelten mußt' ich sie, wo ich sie wollte loben. Denn von der obern floß zur untern Stufe nieder Der Unrath, und beschmutzt ward das Gewaschne wieder. Ich hab' es ihr gesagt: Umsonst ist was du putzest, Wenn mit dem Obern du das Untre stets beschmutzest. Ich sagt' es nochmals ihr, mein Wort war ohne Nutzen: Von unten kanst du nicht die Treppe gründlich putzen. Ich sag' es abermals: Wenn sich der Glanz erneuern Der ganzen Treppe soll, fang oben an zu scheuern! 72. So ſprach zum Koͤnige, der mit den Leuten grollte, Die ſich nicht beſſerten, und ſich nicht beſſern wollte, Sein Narr Geheimerath, als ihn der Koͤnig fragte, Woher der Unmuth ſei, der ihn heut ſichtlich plagte? Er ſprach: Daher iſt er, daß ich der Magd mit Aſchen Und Waſſer heut befahl die Treppe rein zu waſchen. Da wuſch ſie ungeſchickt von unten ſtatt von oben, Und ſchelten mußt' ich ſie, wo ich ſie wollte loben. Denn von der obern floß zur untern Stufe nieder Der Unrath, und beſchmutzt ward das Gewaſchne wieder. Ich hab' es ihr geſagt: Umſonſt iſt was du putzeſt, Wenn mit dem Obern du das Untre ſtets beſchmutzeſt. Ich ſagt' es nochmals ihr, mein Wort war ohne Nutzen: Von unten kanſt du nicht die Treppe gruͤndlich putzen. Ich ſag' es abermals: Wenn ſich der Glanz erneuern Der ganzen Treppe ſoll, fang oben an zu ſcheuern! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0175" n="165"/> <div n="2"> <head>72.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>So ſprach zum Koͤnige, der mit den Leuten grollte,</l><lb/> <l>Die ſich nicht beſſerten, und ſich nicht beſſern wollte,</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Sein Narr Geheimerath, als ihn der Koͤnig fragte,</l><lb/> <l>Woher der Unmuth ſei, der ihn heut ſichtlich plagte?</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Er ſprach: Daher iſt er, daß ich der Magd mit Aſchen</l><lb/> <l>Und Waſſer heut befahl die Treppe rein zu waſchen.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Da wuſch ſie ungeſchickt von unten ſtatt von oben,</l><lb/> <l>Und ſchelten mußt' ich ſie, wo ich ſie wollte loben.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Denn von der obern floß zur untern Stufe nieder</l><lb/> <l>Der Unrath, und beſchmutzt ward das Gewaſchne wieder.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Ich hab' es ihr geſagt: Umſonſt iſt was du putzeſt,</l><lb/> <l>Wenn mit dem Obern du das Untre ſtets beſchmutzeſt.</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>Ich ſagt' es nochmals ihr, mein Wort war ohne Nutzen:</l><lb/> <l>Von unten kanſt du nicht die Treppe gruͤndlich putzen.</l> </lg><lb/> <lg n="8"> <l>Ich ſag' es abermals: Wenn ſich der Glanz erneuern</l><lb/> <l>Der ganzen Treppe ſoll, fang oben an zu ſcheuern!</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [165/0175]
72.
So ſprach zum Koͤnige, der mit den Leuten grollte,
Die ſich nicht beſſerten, und ſich nicht beſſern wollte,
Sein Narr Geheimerath, als ihn der Koͤnig fragte,
Woher der Unmuth ſei, der ihn heut ſichtlich plagte?
Er ſprach: Daher iſt er, daß ich der Magd mit Aſchen
Und Waſſer heut befahl die Treppe rein zu waſchen.
Da wuſch ſie ungeſchickt von unten ſtatt von oben,
Und ſchelten mußt' ich ſie, wo ich ſie wollte loben.
Denn von der obern floß zur untern Stufe nieder
Der Unrath, und beſchmutzt ward das Gewaſchne wieder.
Ich hab' es ihr geſagt: Umſonſt iſt was du putzeſt,
Wenn mit dem Obern du das Untre ſtets beſchmutzeſt.
Ich ſagt' es nochmals ihr, mein Wort war ohne Nutzen:
Von unten kanſt du nicht die Treppe gruͤndlich putzen.
Ich ſag' es abermals: Wenn ſich der Glanz erneuern
Der ganzen Treppe ſoll, fang oben an zu ſcheuern!
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Zitationshilfe: | Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 3. Leipzig, 1837, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane03_1837/175>, abgerufen am 25.07.2024. |