Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 3. Leipzig, 1837.49. Woher ich kam, wohin ich gehe, weiß ich nicht; Doch dis: von Gott zu Gott! ist meine Zuversicht. Warum ich jetzo bin, und andre sonst gewesen; Warum mir dieser Platz, kein andrer, ist erlesen? Ich blühe wie die Blum', und wachse wie der Baum, In meiner Jahreszeit, in meinem Gartenraum. Im großen Garten ist kein abgelegnes Beet, Das nicht zu seiner Zeit von Lenzluft ist durchweht. Kein abgelegnes Beet, das nicht erblüht in Wonne An seines Gärtners Blick, sein Blick ist Mond und Sonne. Ich fühle Sommerlust, und fühle Winterschauer, Und einen Schauder, daß ich bin von kurzer Dauer, Doch eine Ahnung, daß ich ewig bin von Stamme, Und daß nicht sich verzehrt, die mich verzehrt, die Flamme. Es ist ein niedrer Trieb in mir und höhres Streben, Dem soll ich folgen und mich jenem nicht ergeben. 49. Woher ich kam, wohin ich gehe, weiß ich nicht; Doch dis: von Gott zu Gott! iſt meine Zuverſicht. Warum ich jetzo bin, und andre ſonſt geweſen; Warum mir dieſer Platz, kein andrer, iſt erleſen? Ich bluͤhe wie die Blum', und wachſe wie der Baum, In meiner Jahreszeit, in meinem Gartenraum. Im großen Garten iſt kein abgelegnes Beet, Das nicht zu ſeiner Zeit von Lenzluft iſt durchweht. Kein abgelegnes Beet, das nicht erbluͤht in Wonne An ſeines Gaͤrtners Blick, ſein Blick iſt Mond und Sonne. Ich fuͤhle Sommerluſt, und fuͤhle Winterſchauer, Und einen Schauder, daß ich bin von kurzer Dauer, Doch eine Ahnung, daß ich ewig bin von Stamme, Und daß nicht ſich verzehrt, die mich verzehrt, die Flamme. Es iſt ein niedrer Trieb in mir und hoͤhres Streben, Dem ſoll ich folgen und mich jenem nicht ergeben. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0156" n="146"/> <div n="2"> <head>49.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Woher ich kam, wohin ich gehe, weiß ich nicht;</l><lb/> <l>Doch dis: von Gott zu Gott! iſt meine Zuverſicht.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Warum ich jetzo bin, und andre ſonſt geweſen;</l><lb/> <l>Warum mir dieſer Platz, kein andrer, iſt erleſen?</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Ich bluͤhe wie die Blum', und wachſe wie der Baum,</l><lb/> <l>In meiner Jahreszeit, in meinem Gartenraum.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Im großen Garten iſt kein abgelegnes Beet,</l><lb/> <l>Das nicht zu ſeiner Zeit von Lenzluft iſt durchweht.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Kein abgelegnes Beet, das nicht erbluͤht in Wonne</l><lb/> <l>An ſeines Gaͤrtners Blick, ſein Blick iſt Mond und Sonne.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Ich fuͤhle Sommerluſt, und fuͤhle Winterſchauer,</l><lb/> <l>Und einen Schauder, daß ich bin von kurzer Dauer,</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>Doch eine Ahnung, daß ich ewig bin von Stamme,</l><lb/> <l>Und daß nicht ſich verzehrt, die mich verzehrt, die Flamme.</l> </lg><lb/> <lg n="8"> <l>Es iſt ein niedrer Trieb in mir und hoͤhres Streben,</l><lb/> <l>Dem ſoll ich folgen und mich jenem nicht ergeben.</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [146/0156]
49.
Woher ich kam, wohin ich gehe, weiß ich nicht;
Doch dis: von Gott zu Gott! iſt meine Zuverſicht.
Warum ich jetzo bin, und andre ſonſt geweſen;
Warum mir dieſer Platz, kein andrer, iſt erleſen?
Ich bluͤhe wie die Blum', und wachſe wie der Baum,
In meiner Jahreszeit, in meinem Gartenraum.
Im großen Garten iſt kein abgelegnes Beet,
Das nicht zu ſeiner Zeit von Lenzluft iſt durchweht.
Kein abgelegnes Beet, das nicht erbluͤht in Wonne
An ſeines Gaͤrtners Blick, ſein Blick iſt Mond und Sonne.
Ich fuͤhle Sommerluſt, und fuͤhle Winterſchauer,
Und einen Schauder, daß ich bin von kurzer Dauer,
Doch eine Ahnung, daß ich ewig bin von Stamme,
Und daß nicht ſich verzehrt, die mich verzehrt, die Flamme.
Es iſt ein niedrer Trieb in mir und hoͤhres Streben,
Dem ſoll ich folgen und mich jenem nicht ergeben.
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