Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 3. Leipzig, 1837.19. Nicht ist das Seyn zuerst und wird nachher gedacht, Vielmehr vom Denken erst wird Seyn hervorgebracht. Des Denkens Vorrang vor dem Seyn ist darin kund: Des Schöpfers Denken ist der Schöpfung innrer Grund. Gott denkt sich selbst, und ist; er denkt, so ist die Welt, Und sein Gedank' ist das, was sie im Seyn erhält. Gott denkt sich selbst, und ist; du denkst dich selbst und bist, Bist ewig wie Gott selbst, weil er dein Denken ist. Wie könnte je dein Seyn im Denken untergehn, Da es das ist woraus muß ewig Seyn entstehn? Wer sagt, daß sich der Quell in seinem Strom verliert, Da ewig er vielmehr aus sich den Strom gebiert? 19. Nicht iſt das Seyn zuerſt und wird nachher gedacht, Vielmehr vom Denken erſt wird Seyn hervorgebracht. Des Denkens Vorrang vor dem Seyn iſt darin kund: Des Schoͤpfers Denken iſt der Schoͤpfung innrer Grund. Gott denkt ſich ſelbſt, und iſt; er denkt, ſo iſt die Welt, Und ſein Gedank' iſt das, was ſie im Seyn erhaͤlt. Gott denkt ſich ſelbſt, und iſt; du denkſt dich ſelbſt und biſt, Biſt ewig wie Gott ſelbſt, weil er dein Denken iſt. Wie koͤnnte je dein Seyn im Denken untergehn, Da es das iſt woraus muß ewig Seyn entſtehn? Wer ſagt, daß ſich der Quell in ſeinem Strom verliert, Da ewig er vielmehr aus ſich den Strom gebiert? <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0127" n="117"/> <div n="2"> <head>19.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Nicht iſt das Seyn zuerſt und wird nachher gedacht,</l><lb/> <l>Vielmehr vom Denken erſt wird Seyn hervorgebracht.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Des Denkens Vorrang vor dem Seyn iſt darin kund:</l><lb/> <l>Des Schoͤpfers Denken iſt der Schoͤpfung innrer Grund.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Gott denkt ſich ſelbſt, und iſt; er denkt, ſo iſt die Welt,</l><lb/> <l>Und ſein Gedank' iſt das, was ſie im Seyn erhaͤlt.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Gott denkt ſich ſelbſt, und iſt; du denkſt dich ſelbſt und biſt,</l><lb/> <l>Biſt ewig wie Gott ſelbſt, weil er dein Denken iſt.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Wie koͤnnte je dein Seyn im Denken untergehn,</l><lb/> <l>Da es das iſt woraus muß ewig Seyn entſtehn?</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Wer ſagt, daß ſich der Quell in ſeinem Strom verliert,</l><lb/> <l>Da ewig er vielmehr aus ſich den Strom gebiert?</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [117/0127]
19.
Nicht iſt das Seyn zuerſt und wird nachher gedacht,
Vielmehr vom Denken erſt wird Seyn hervorgebracht.
Des Denkens Vorrang vor dem Seyn iſt darin kund:
Des Schoͤpfers Denken iſt der Schoͤpfung innrer Grund.
Gott denkt ſich ſelbſt, und iſt; er denkt, ſo iſt die Welt,
Und ſein Gedank' iſt das, was ſie im Seyn erhaͤlt.
Gott denkt ſich ſelbſt, und iſt; du denkſt dich ſelbſt und biſt,
Biſt ewig wie Gott ſelbſt, weil er dein Denken iſt.
Wie koͤnnte je dein Seyn im Denken untergehn,
Da es das iſt woraus muß ewig Seyn entſtehn?
Wer ſagt, daß ſich der Quell in ſeinem Strom verliert,
Da ewig er vielmehr aus ſich den Strom gebiert?
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