Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 3. Leipzig, 1837.5. Die Welt hat solche Schätz' im Innern aufgethan, Daß sie der Dichtkunst Form nun nicht mehr fassen kan; Wie sonst die Dichtkunst wol, was ist und war, umfaßte, Als noch ihr Maß mit dem der Welt zusammen paßte. Doch nun begnügt sie sich, was sie nicht auszubeuten Vermag, mit flücht'gem Schlag der Wunschruth' anzudeuten. Wenn auch den Vollgehalt die Form nicht in sich hält, Doch im Bewußtseyn ruht die Fülle dieser Welt. 6. In schöne Leiblichkeit Gedanken eingebären, Und in Gedankenduft ein leibliches verklären, Ist beides Poesie nach zwei verschiednen Seiten; Der mag auf dieser Bahn, und der auf jener schreiten. Das Höchste doch gelingt, Vollkommenstes entspringt, Wo ganz, ursprünglich eins, sich beides rein durchdringt. 5. Die Welt hat ſolche Schaͤtz' im Innern aufgethan, Daß ſie der Dichtkunſt Form nun nicht mehr faſſen kan; Wie ſonſt die Dichtkunſt wol, was iſt und war, umfaßte, Als noch ihr Maß mit dem der Welt zuſammen paßte. Doch nun begnuͤgt ſie ſich, was ſie nicht auszubeuten Vermag, mit fluͤcht'gem Schlag der Wunſchruth' anzudeuten. Wenn auch den Vollgehalt die Form nicht in ſich haͤlt, Doch im Bewußtſeyn ruht die Fuͤlle dieſer Welt. 6. In ſchoͤne Leiblichkeit Gedanken eingebaͤren, Und in Gedankenduft ein leibliches verklaͤren, Iſt beides Poeſie nach zwei verſchiednen Seiten; Der mag auf dieſer Bahn, und der auf jener ſchreiten. Das Hoͤchſte doch gelingt, Vollkommenſtes entſpringt, Wo ganz, urſpruͤnglich eins, ſich beides rein durchdringt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0118" n="108"/> <div n="2"> <head>5.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Die Welt hat ſolche Schaͤtz' im Innern aufgethan,</l><lb/> <l>Daß ſie der Dichtkunſt Form nun nicht mehr faſſen kan;</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Wie ſonſt die Dichtkunſt wol, was iſt und war, umfaßte,</l><lb/> <l>Als noch ihr Maß mit dem der Welt zuſammen paßte.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Doch nun begnuͤgt ſie ſich, was ſie nicht auszubeuten</l><lb/> <l>Vermag, mit fluͤcht'gem Schlag der Wunſchruth' anzudeuten.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Wenn auch den Vollgehalt die Form nicht in ſich haͤlt,</l><lb/> <l>Doch im Bewußtſeyn ruht die Fuͤlle dieſer Welt.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head>6.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>In ſchoͤne Leiblichkeit Gedanken eingebaͤren,</l><lb/> <l>Und in Gedankenduft ein leibliches verklaͤren,</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Iſt beides Poeſie nach zwei verſchiednen Seiten;</l><lb/> <l>Der mag auf dieſer Bahn, und der auf jener ſchreiten.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Das Hoͤchſte doch gelingt, Vollkommenſtes entſpringt,</l><lb/> <l>Wo ganz, urſpruͤnglich eins, ſich beides rein durchdringt.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [108/0118]
5.
Die Welt hat ſolche Schaͤtz' im Innern aufgethan,
Daß ſie der Dichtkunſt Form nun nicht mehr faſſen kan;
Wie ſonſt die Dichtkunſt wol, was iſt und war, umfaßte,
Als noch ihr Maß mit dem der Welt zuſammen paßte.
Doch nun begnuͤgt ſie ſich, was ſie nicht auszubeuten
Vermag, mit fluͤcht'gem Schlag der Wunſchruth' anzudeuten.
Wenn auch den Vollgehalt die Form nicht in ſich haͤlt,
Doch im Bewußtſeyn ruht die Fuͤlle dieſer Welt.
6.
In ſchoͤne Leiblichkeit Gedanken eingebaͤren,
Und in Gedankenduft ein leibliches verklaͤren,
Iſt beides Poeſie nach zwei verſchiednen Seiten;
Der mag auf dieſer Bahn, und der auf jener ſchreiten.
Das Hoͤchſte doch gelingt, Vollkommenſtes entſpringt,
Wo ganz, urſpruͤnglich eins, ſich beides rein durchdringt.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |