Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 3. Leipzig, 1837.2. Vom niedern Hügel sah ich auf mein Heimatsthal, Und alles lag vor mir verklärt im Sonnenstral. Ich sah das Einzelste mit Liebesblick, das kleinste, Und jeder Unterschied ward mir vertraut, der feinste. Ich sah mich satt daran, viel liebe lange Stunden; Dann stieg ich höher an, als jene Lust geschwunden. Ich stieg auf einen Berg, der sich vor mir erhoben; Und wieder auf mein Thal schau' ich herab von oben. Es ist dasselbe noch, und ist ein andres doch, Ich seh es ganz, und seh dazu viel andres noch Nun laben will ich mich am neuen Blick mit Schweigen, Und eine Stufe dann vielleicht noch höher steigen. 2. Vom niedern Huͤgel ſah ich auf mein Heimatsthal, Und alles lag vor mir verklaͤrt im Sonnenſtral. Ich ſah das Einzelſte mit Liebesblick, das kleinſte, Und jeder Unterſchied ward mir vertraut, der feinſte. Ich ſah mich ſatt daran, viel liebe lange Stunden; Dann ſtieg ich hoͤher an, als jene Luſt geſchwunden. Ich ſtieg auf einen Berg, der ſich vor mir erhoben; Und wieder auf mein Thal ſchau' ich herab von oben. Es iſt daſſelbe noch, und iſt ein andres doch, Ich ſeh es ganz, und ſeh dazu viel andres noch Nun laben will ich mich am neuen Blick mit Schweigen, Und eine Stufe dann vielleicht noch hoͤher ſteigen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0116" n="106"/> <div n="2"> <head>2.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Vom niedern Huͤgel ſah ich auf mein Heimatsthal,</l><lb/> <l>Und alles lag vor mir verklaͤrt im Sonnenſtral.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Ich ſah das Einzelſte mit Liebesblick, das kleinſte,</l><lb/> <l>Und jeder Unterſchied ward mir vertraut, der feinſte.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Ich ſah mich ſatt daran, viel liebe lange Stunden;</l><lb/> <l>Dann ſtieg ich hoͤher an, als jene Luſt geſchwunden.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Ich ſtieg auf einen Berg, der ſich vor mir erhoben;</l><lb/> <l>Und wieder auf mein Thal ſchau' ich herab von oben.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Es iſt daſſelbe noch, und iſt ein andres doch,</l><lb/> <l>Ich ſeh es ganz, und ſeh dazu viel andres noch</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Nun laben will ich mich am neuen Blick mit Schweigen,</l><lb/> <l>Und eine Stufe dann vielleicht noch hoͤher ſteigen.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [106/0116]
2.
Vom niedern Huͤgel ſah ich auf mein Heimatsthal,
Und alles lag vor mir verklaͤrt im Sonnenſtral.
Ich ſah das Einzelſte mit Liebesblick, das kleinſte,
Und jeder Unterſchied ward mir vertraut, der feinſte.
Ich ſah mich ſatt daran, viel liebe lange Stunden;
Dann ſtieg ich hoͤher an, als jene Luſt geſchwunden.
Ich ſtieg auf einen Berg, der ſich vor mir erhoben;
Und wieder auf mein Thal ſchau' ich herab von oben.
Es iſt daſſelbe noch, und iſt ein andres doch,
Ich ſeh es ganz, und ſeh dazu viel andres noch
Nun laben will ich mich am neuen Blick mit Schweigen,
Und eine Stufe dann vielleicht noch hoͤher ſteigen.
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