Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 2. Leipzig, 1837.Ein Baum der Weltvernunft, verzweigt in seine Ranken, Sich denkend Eines Geists einträchtige Gedanken; Wo jeder göttliche Gedanke wär' ein Glanz Für sich, doch erst ein Licht zusammen alle ganz. Annäherung dazu ist jedes Geistes Macht, Der alles denket nach, was andre vorgedacht, Der selber denket vor, was nach ihm fort sich denkt, In jede Denkform sich, und jed' in sich versenkt. Vorahnend löst sein Geist der Geister Widerspruch, Wie Frühling Wald und Feld in Einen Wohlgeruch. 88. Wenn du ans Göttliche stets halten willst dein Streben, Wie kanns davor bestehn? du mußt es ganz aufgeben. Doch, ist vom Göttlichen dein Streben abgekehrt, So hats gar alle Kraft verloren, allen Werth. In einer Mitte nur von fern und nah gewannst
Du einen Standpunkt, wo du etwas willst und kannst. Ein Baum der Weltvernunft, verzweigt in ſeine Ranken, Sich denkend Eines Geiſts eintraͤchtige Gedanken; Wo jeder goͤttliche Gedanke waͤr' ein Glanz Fuͤr ſich, doch erſt ein Licht zuſammen alle ganz. Annaͤherung dazu iſt jedes Geiſtes Macht, Der alles denket nach, was andre vorgedacht, Der ſelber denket vor, was nach ihm fort ſich denkt, In jede Denkform ſich, und jed' in ſich verſenkt. Vorahnend loͤſt ſein Geiſt der Geiſter Widerſpruch, Wie Fruͤhling Wald und Feld in Einen Wohlgeruch. 88. Wenn du ans Goͤttliche ſtets halten willſt dein Streben, Wie kanns davor beſtehn? du mußt es ganz aufgeben. Doch, iſt vom Goͤttlichen dein Streben abgekehrt, So hats gar alle Kraft verloren, allen Werth. In einer Mitte nur von fern und nah gewannſt
Du einen Standpunkt, wo du etwas willſt und kannſt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <l> <pb facs="#f0067" n="57"/> </l> <lg n="5"> <l>Ein Baum der Weltvernunft, verzweigt in ſeine Ranken,</l><lb/> <l>Sich denkend Eines Geiſts eintraͤchtige Gedanken;</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Wo jeder goͤttliche Gedanke waͤr' ein Glanz</l><lb/> <l>Fuͤr ſich, doch erſt ein Licht zuſammen alle ganz.</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>Annaͤherung dazu iſt jedes Geiſtes Macht,</l><lb/> <l>Der alles denket nach, was andre vorgedacht,</l> </lg><lb/> <lg n="8"> <l>Der ſelber denket vor, was nach ihm fort ſich denkt,</l><lb/> <l>In jede Denkform ſich, und jed' in ſich verſenkt.</l> </lg><lb/> <lg n="9"> <l>Vorahnend loͤſt ſein Geiſt der Geiſter Widerſpruch,</l><lb/> <l>Wie Fruͤhling Wald und Feld in Einen Wohlgeruch.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head>88.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Wenn du ans Goͤttliche ſtets halten willſt dein Streben,</l><lb/> <l>Wie kanns davor beſtehn? du mußt es ganz aufgeben.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Doch, iſt vom Goͤttlichen dein Streben abgekehrt,</l><lb/> <l>So hats gar alle Kraft verloren, allen Werth.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>In einer Mitte nur von fern und nah gewannſt</l><lb/> <l>Du einen Standpunkt, wo du etwas willſt und kannſt.</l> </lg><lb/> <l> </l> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [57/0067]
Ein Baum der Weltvernunft, verzweigt in ſeine Ranken,
Sich denkend Eines Geiſts eintraͤchtige Gedanken;
Wo jeder goͤttliche Gedanke waͤr' ein Glanz
Fuͤr ſich, doch erſt ein Licht zuſammen alle ganz.
Annaͤherung dazu iſt jedes Geiſtes Macht,
Der alles denket nach, was andre vorgedacht,
Der ſelber denket vor, was nach ihm fort ſich denkt,
In jede Denkform ſich, und jed' in ſich verſenkt.
Vorahnend loͤſt ſein Geiſt der Geiſter Widerſpruch,
Wie Fruͤhling Wald und Feld in Einen Wohlgeruch.
88.
Wenn du ans Goͤttliche ſtets halten willſt dein Streben,
Wie kanns davor beſtehn? du mußt es ganz aufgeben.
Doch, iſt vom Goͤttlichen dein Streben abgekehrt,
So hats gar alle Kraft verloren, allen Werth.
In einer Mitte nur von fern und nah gewannſt
Du einen Standpunkt, wo du etwas willſt und kannſt.
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