Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 2. Leipzig, 1837.78. Begreif, o Sohn, der Mensch ist eine kleine Welt, Enthaltend alles was die große nur enthält. Doch wie am Spiegelbild sich Rechts und Links umkehren, So gilt für Mensch und Welt Verschiedenheit der Lehren. Wenn Freundschaft Einheit ist, wenn Feindschaft ist Entzweiung, So hilft die Feindschaft erst dem Leben zur Befreiung. Sie bricht, daß Vieles sei, das starre Eins entzwei; Verschieden ist was lebt, der Tod ist einerlei. Du laß im Reich der Welt die hehre Zwietracht walten, Und lern' in deinem Zelt ihr Gegenbild entfalten. Laß aus der Kräfte Kampf des Lebens Fülle sprießen, Um Frieden still mit dir und Gott und Welt zu schließen. 78. Begreif, o Sohn, der Menſch iſt eine kleine Welt, Enthaltend alles was die große nur enthaͤlt. Doch wie am Spiegelbild ſich Rechts und Links umkehren, So gilt fuͤr Menſch und Welt Verſchiedenheit der Lehren. Wenn Freundſchaft Einheit iſt, wenn Feindſchaft iſt Entzweiung, So hilft die Feindſchaft erſt dem Leben zur Befreiung. Sie bricht, daß Vieles ſei, das ſtarre Eins entzwei; Verſchieden iſt was lebt, der Tod iſt einerlei. Du laß im Reich der Welt die hehre Zwietracht walten, Und lern' in deinem Zelt ihr Gegenbild entfalten. Laß aus der Kraͤfte Kampf des Lebens Fuͤlle ſprießen, Um Frieden ſtill mit dir und Gott und Welt zu ſchließen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0060" n="50"/> <div n="2"> <head>78.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Begreif, o Sohn, der Menſch iſt eine kleine Welt,</l><lb/> <l>Enthaltend alles was die große nur enthaͤlt.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Doch wie am Spiegelbild ſich Rechts und Links umkehren,</l><lb/> <l>So gilt fuͤr Menſch und Welt Verſchiedenheit der Lehren.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Wenn Freundſchaft Einheit iſt, wenn Feindſchaft iſt Entzweiung,</l><lb/> <l>So hilft die Feindſchaft erſt dem Leben zur Befreiung.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Sie bricht, daß Vieles ſei, das ſtarre Eins entzwei;</l><lb/> <l>Verſchieden iſt was lebt, der Tod iſt einerlei.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Du laß im Reich der Welt die hehre Zwietracht walten,</l><lb/> <l>Und lern' in deinem Zelt ihr Gegenbild entfalten.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Laß aus der Kraͤfte Kampf des Lebens Fuͤlle ſprießen,</l><lb/> <l>Um Frieden ſtill mit dir und Gott und Welt zu ſchließen.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [50/0060]
78.
Begreif, o Sohn, der Menſch iſt eine kleine Welt,
Enthaltend alles was die große nur enthaͤlt.
Doch wie am Spiegelbild ſich Rechts und Links umkehren,
So gilt fuͤr Menſch und Welt Verſchiedenheit der Lehren.
Wenn Freundſchaft Einheit iſt, wenn Feindſchaft iſt Entzweiung,
So hilft die Feindſchaft erſt dem Leben zur Befreiung.
Sie bricht, daß Vieles ſei, das ſtarre Eins entzwei;
Verſchieden iſt was lebt, der Tod iſt einerlei.
Du laß im Reich der Welt die hehre Zwietracht walten,
Und lern' in deinem Zelt ihr Gegenbild entfalten.
Laß aus der Kraͤfte Kampf des Lebens Fuͤlle ſprießen,
Um Frieden ſtill mit dir und Gott und Welt zu ſchließen.
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