Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 2. Leipzig, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite
Sich denkend unterwegs, daß jeder das gefunden
Im Blick des andern, was ihm selber war geschwunden.
Wie sollten sie vereint zur Sonne nicht gelangen,
Die hier dem einen schon im andern aufgegangen?

69.
Du klagest, daß die Welt so unvollkommen ist,
Und fragst, warum? Weil du so unvollkommen bist.
Wenn du vollkommen wärst, wär auch die Welt vollkommen,
Die Unvollkommenheit wär ihr von dir genommen.
Sie will Vollkommenheit nur mit dir selbst empfahn,
Und du bist noch so weit zurück auf dieser Bahn.
Dank' ihr daß sie mit dir will halten gleichen Schritt,
Und spute dich, daß sie auch vorwerts kommt damit!

Sich denkend unterwegs, daß jeder das gefunden
Im Blick des andern, was ihm ſelber war geſchwunden.
Wie ſollten ſie vereint zur Sonne nicht gelangen,
Die hier dem einen ſchon im andern aufgegangen?

69.
Du klageſt, daß die Welt ſo unvollkommen iſt,
Und fragſt, warum? Weil du ſo unvollkommen biſt.
Wenn du vollkommen waͤrſt, waͤr auch die Welt vollkommen,
Die Unvollkommenheit waͤr ihr von dir genommen.
Sie will Vollkommenheit nur mit dir ſelbſt empfahn,
Und du biſt noch ſo weit zuruͤck auf dieſer Bahn.
Dank' ihr daß ſie mit dir will halten gleichen Schritt,
Und ſpute dich, daß ſie auch vorwerts kommt damit!

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <l>
              <pb facs="#f0054" n="44"/>
            </l>
            <lg n="8">
              <l>Sich denkend unterwegs, daß jeder das gefunden</l><lb/>
              <l>Im Blick des andern, was ihm &#x017F;elber war ge&#x017F;chwunden.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="9">
              <l>Wie &#x017F;ollten &#x017F;ie vereint zur Sonne nicht gelangen,</l><lb/>
              <l>Die hier dem einen &#x017F;chon im andern aufgegangen?</l>
            </lg><lb/>
          </lg>
        </div>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head>69.</head><lb/>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l>Du klage&#x017F;t, daß die Welt &#x017F;o unvollkommen i&#x017F;t,</l><lb/>
              <l>Und frag&#x017F;t, warum? Weil du &#x017F;o unvollkommen bi&#x017F;t.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l>Wenn du vollkommen wa&#x0364;r&#x017F;t, wa&#x0364;r auch die Welt vollkommen,</l><lb/>
              <l>Die Unvollkommenheit wa&#x0364;r ihr von dir genommen.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l>Sie will Vollkommenheit nur mit dir &#x017F;elb&#x017F;t empfahn,</l><lb/>
              <l>Und du bi&#x017F;t noch &#x017F;o weit zuru&#x0364;ck auf die&#x017F;er Bahn.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="4">
              <l>Dank' ihr daß &#x017F;ie mit dir will halten gleichen Schritt,</l><lb/>
              <l>Und &#x017F;pute dich, daß &#x017F;ie auch vorwerts kommt damit!</l>
            </lg><lb/>
          </lg>
        </div>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[44/0054] Sich denkend unterwegs, daß jeder das gefunden Im Blick des andern, was ihm ſelber war geſchwunden. Wie ſollten ſie vereint zur Sonne nicht gelangen, Die hier dem einen ſchon im andern aufgegangen? 69. Du klageſt, daß die Welt ſo unvollkommen iſt, Und fragſt, warum? Weil du ſo unvollkommen biſt. Wenn du vollkommen waͤrſt, waͤr auch die Welt vollkommen, Die Unvollkommenheit waͤr ihr von dir genommen. Sie will Vollkommenheit nur mit dir ſelbſt empfahn, Und du biſt noch ſo weit zuruͤck auf dieſer Bahn. Dank' ihr daß ſie mit dir will halten gleichen Schritt, Und ſpute dich, daß ſie auch vorwerts kommt damit!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane02_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane02_1837/54
Zitationshilfe: Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 2. Leipzig, 1837, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane02_1837/54>, abgerufen am 21.12.2024.