Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 2. Leipzig, 1837.Dort werd' ich einst sie sehn in eigenster Gestalt: Jetzt scheint ihr Licht von dort herab durch Wolkenspalt. Sie ist die Sonne, die nicht selbst zur Erde kommt, Doch ist in ihrem Schein, was uns zum Leben frommt. Wie ist der Wahrheit Schein genannt? Wahrscheinlichkeit, Damit behelfen wir uns vorderhand zur Zeit. 29. Dein Amt, Gebildeter, und deine Aufgab' ist, Aussprechen was du fühlst, darstellen was du bist. Denn Alles in der Welt ringt sich zu stellen dar, Und spricht sich unklar aus, du aber sollst es klar. Aufklären sollst du uns dis Dunkel, und erklären, Wie schön die Dinge, wenn wir klar sie sähen, wären. Dort werd' ich einſt ſie ſehn in eigenſter Geſtalt: Jetzt ſcheint ihr Licht von dort herab durch Wolkenſpalt. Sie iſt die Sonne, die nicht ſelbſt zur Erde kommt, Doch iſt in ihrem Schein, was uns zum Leben frommt. Wie iſt der Wahrheit Schein genannt? Wahrſcheinlichkeit, Damit behelfen wir uns vorderhand zur Zeit. 29. Dein Amt, Gebildeter, und deine Aufgab' iſt, Ausſprechen was du fuͤhlſt, darſtellen was du biſt. Denn Alles in der Welt ringt ſich zu ſtellen dar, Und ſpricht ſich unklar aus, du aber ſollſt es klar. Aufklaͤren ſollſt du uns dis Dunkel, und erklaͤren, Wie ſchoͤn die Dinge, wenn wir klar ſie ſaͤhen, waͤren. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <l> <pb facs="#f0029" n="19"/> </l> <lg n="4"> <l>Dort werd' ich einſt ſie ſehn in eigenſter Geſtalt:</l><lb/> <l>Jetzt ſcheint ihr Licht von dort herab durch Wolkenſpalt.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Sie iſt die Sonne, die nicht ſelbſt zur Erde kommt,</l><lb/> <l>Doch iſt in ihrem Schein, was uns zum Leben frommt.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Wie iſt der Wahrheit Schein genannt? Wahrſcheinlichkeit,</l><lb/> <l>Damit behelfen wir uns vorderhand zur Zeit.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head>29.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Dein Amt, Gebildeter, und deine Aufgab' iſt,</l><lb/> <l>Ausſprechen was du fuͤhlſt, darſtellen was du biſt.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Denn Alles in der Welt ringt ſich zu ſtellen dar,</l><lb/> <l>Und ſpricht ſich unklar aus, du aber ſollſt es klar.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Aufklaͤren ſollſt du uns dis Dunkel, und erklaͤren,</l><lb/> <l>Wie ſchoͤn die Dinge, wenn wir klar ſie ſaͤhen, waͤren.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [19/0029]
Dort werd' ich einſt ſie ſehn in eigenſter Geſtalt:
Jetzt ſcheint ihr Licht von dort herab durch Wolkenſpalt.
Sie iſt die Sonne, die nicht ſelbſt zur Erde kommt,
Doch iſt in ihrem Schein, was uns zum Leben frommt.
Wie iſt der Wahrheit Schein genannt? Wahrſcheinlichkeit,
Damit behelfen wir uns vorderhand zur Zeit.
29.
Dein Amt, Gebildeter, und deine Aufgab' iſt,
Ausſprechen was du fuͤhlſt, darſtellen was du biſt.
Denn Alles in der Welt ringt ſich zu ſtellen dar,
Und ſpricht ſich unklar aus, du aber ſollſt es klar.
Aufklaͤren ſollſt du uns dis Dunkel, und erklaͤren,
Wie ſchoͤn die Dinge, wenn wir klar ſie ſaͤhen, waͤren.
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Zitationshilfe: | Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 2. Leipzig, 1837, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane02_1837/29>, abgerufen am 22.02.2025. |