Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 2. Leipzig, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite
27.
Ich, der Gefangne, der mit seinen Ketten spielt,
Der blinde Schütze, der nach hohem Ziele zielt;
Der, Geistern anverwandt, ans Thier gebundene,
Sich selber suchend, stets sich selbst entschwundene;
Der nicht weiß, was er ist, war oder werde seyn:
Was wär' ich denn, wenn ich nichts wär' als ich allein?
Ich bin auch du, weil du das bist, was in mir ist;
Ich bin mehr als ich bin, weil du mein Alles bist.

28.
Ob eine Wahrheit ist in dieser falschen Welt,
Ich weiß nicht; minder noch, wo sie versteckt sich hält.
Daß eine Wahrheit war, schließ' ich aus ihrem Namen,
Denn war und Wahrheit scheint ersproßt aus gleichem Samen.
Doch wenn sie einmal war, wird sie dort ewig seyn,
Wo alles ist was war, dort geht sie aus und ein.
27.
Ich, der Gefangne, der mit ſeinen Ketten ſpielt,
Der blinde Schuͤtze, der nach hohem Ziele zielt;
Der, Geiſtern anverwandt, ans Thier gebundene,
Sich ſelber ſuchend, ſtets ſich ſelbſt entſchwundene;
Der nicht weiß, was er iſt, war oder werde ſeyn:
Was waͤr' ich denn, wenn ich nichts waͤr' als ich allein?
Ich bin auch du, weil du das biſt, was in mir iſt;
Ich bin mehr als ich bin, weil du mein Alles biſt.

28.
Ob eine Wahrheit iſt in dieſer falſchen Welt,
Ich weiß nicht; minder noch, wo ſie verſteckt ſich haͤlt.
Daß eine Wahrheit war, ſchließ' ich aus ihrem Namen,
Denn war und Wahrheit ſcheint erſproßt aus gleichem Samen.
Doch wenn ſie einmal war, wird ſie dort ewig ſeyn,
Wo alles iſt was war, dort geht ſie aus und ein.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0028" n="18"/>
        <div n="2">
          <head>27.</head><lb/>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l>Ich, der Gefangne, der mit &#x017F;einen Ketten &#x017F;pielt,</l><lb/>
              <l>Der blinde Schu&#x0364;tze, der nach hohem Ziele zielt;</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l>Der, Gei&#x017F;tern anverwandt, ans Thier gebundene,</l><lb/>
              <l>Sich &#x017F;elber &#x017F;uchend, &#x017F;tets &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t ent&#x017F;chwundene;</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l>Der nicht weiß, was er i&#x017F;t, war oder werde &#x017F;eyn:</l><lb/>
              <l>Was wa&#x0364;r' ich denn, wenn ich nichts wa&#x0364;r' als ich allein?</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="4">
              <l>Ich bin auch du, weil du das bi&#x017F;t, was in mir i&#x017F;t;</l><lb/>
              <l>Ich bin mehr als ich bin, weil du mein Alles bi&#x017F;t.</l>
            </lg><lb/>
          </lg>
        </div>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head>28.</head><lb/>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l>Ob eine Wahrheit i&#x017F;t in die&#x017F;er fal&#x017F;chen Welt,</l><lb/>
              <l>Ich weiß nicht; minder noch, wo &#x017F;ie ver&#x017F;teckt &#x017F;ich ha&#x0364;lt.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l>Daß eine Wahrheit war, &#x017F;chließ' ich aus ihrem Namen,</l><lb/>
              <l>Denn war und Wahrheit &#x017F;cheint er&#x017F;proßt aus gleichem Samen.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l>Doch wenn &#x017F;ie einmal war, wird &#x017F;ie dort ewig &#x017F;eyn,</l><lb/>
              <l>Wo alles i&#x017F;t was war, dort geht &#x017F;ie aus und ein.</l>
            </lg><lb/>
            <l>
</l>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[18/0028] 27. Ich, der Gefangne, der mit ſeinen Ketten ſpielt, Der blinde Schuͤtze, der nach hohem Ziele zielt; Der, Geiſtern anverwandt, ans Thier gebundene, Sich ſelber ſuchend, ſtets ſich ſelbſt entſchwundene; Der nicht weiß, was er iſt, war oder werde ſeyn: Was waͤr' ich denn, wenn ich nichts waͤr' als ich allein? Ich bin auch du, weil du das biſt, was in mir iſt; Ich bin mehr als ich bin, weil du mein Alles biſt. 28. Ob eine Wahrheit iſt in dieſer falſchen Welt, Ich weiß nicht; minder noch, wo ſie verſteckt ſich haͤlt. Daß eine Wahrheit war, ſchließ' ich aus ihrem Namen, Denn war und Wahrheit ſcheint erſproßt aus gleichem Samen. Doch wenn ſie einmal war, wird ſie dort ewig ſeyn, Wo alles iſt was war, dort geht ſie aus und ein.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane02_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane02_1837/28
Zitationshilfe: Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 2. Leipzig, 1837, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane02_1837/28>, abgerufen am 03.12.2024.