Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 2. Leipzig, 1837.Was selbst ich nicht errang, das mögest du erringen; Was unvollbracht ich ließ, Gott lass' es dich vollbringen. Mein Kind, ich zittre beim Gedanken schon, daß fallen Du könnest, und allein muß ich dich lassen wallen; Allein, in Gottes Hut, allein mit deinem Muth; Schreit und bedenk, daß man zurück den Schritt nie thut. 245. Zum Himmel blick' empor, er ist voll heller Kerzen; Kind, freudig habe Gott vor Augen und im Herzen. In jedem Augenblick sollst du ihm angehören, Das will er, doch dich nicht in deiner Freude stören. Er will nicht, daß du sollst in stetem Bangen schweben, Denn er ist nicht der Tod, er ist das ew'ge Leben. Verschließest du dich ihm, so dringt er doch herein, Und macht mit seinem Blitz zunicht den falschen Schein. Doch nimmst du selbst ihn ein, wird er mit Lust dich nähren,
Und nicht dein Irdisches vernichten, nur verklären. Was ſelbſt ich nicht errang, das moͤgeſt du erringen; Was unvollbracht ich ließ, Gott laſſ' es dich vollbringen. Mein Kind, ich zittre beim Gedanken ſchon, daß fallen Du koͤnneſt, und allein muß ich dich laſſen wallen; Allein, in Gottes Hut, allein mit deinem Muth; Schreit und bedenk, daß man zuruͤck den Schritt nie thut. 245. Zum Himmel blick' empor, er iſt voll heller Kerzen; Kind, freudig habe Gott vor Augen und im Herzen. In jedem Augenblick ſollſt du ihm angehoͤren, Das will er, doch dich nicht in deiner Freude ſtoͤren. Er will nicht, daß du ſollſt in ſtetem Bangen ſchweben, Denn er iſt nicht der Tod, er iſt das ew'ge Leben. Verſchließeſt du dich ihm, ſo dringt er doch herein, Und macht mit ſeinem Blitz zunicht den falſchen Schein. Doch nimmſt du ſelbſt ihn ein, wird er mit Luſt dich naͤhren,
Und nicht dein Irdiſches vernichten, nur verklaͤren. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <l> <pb facs="#f0156" n="146"/> </l> <lg n="5"> <l>Was ſelbſt ich nicht errang, das moͤgeſt du erringen;</l><lb/> <l>Was unvollbracht ich ließ, Gott laſſ' es dich vollbringen.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Mein Kind, ich zittre beim Gedanken ſchon, daß fallen</l><lb/> <l>Du koͤnneſt, und allein muß ich dich laſſen wallen;</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>Allein, in Gottes Hut, allein mit deinem Muth;</l><lb/> <l>Schreit und bedenk, daß man zuruͤck den Schritt nie thut.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head>245.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Zum Himmel blick' empor, er iſt voll heller Kerzen;</l><lb/> <l>Kind, freudig habe Gott vor Augen und im Herzen.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>In jedem Augenblick ſollſt du ihm angehoͤren,</l><lb/> <l>Das will er, doch dich nicht in deiner Freude ſtoͤren.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Er will nicht, daß du ſollſt in ſtetem Bangen ſchweben,</l><lb/> <l>Denn er iſt nicht der Tod, er iſt das ew'ge Leben.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Verſchließeſt du dich ihm, ſo dringt er doch herein,</l><lb/> <l>Und macht mit ſeinem Blitz zunicht den falſchen Schein.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Doch nimmſt du ſelbſt ihn ein, wird er mit Luſt dich naͤhren,</l><lb/> <l>Und nicht dein Irdiſches vernichten, nur verklaͤren.</l> </lg><lb/> <l> </l> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [146/0156]
Was ſelbſt ich nicht errang, das moͤgeſt du erringen;
Was unvollbracht ich ließ, Gott laſſ' es dich vollbringen.
Mein Kind, ich zittre beim Gedanken ſchon, daß fallen
Du koͤnneſt, und allein muß ich dich laſſen wallen;
Allein, in Gottes Hut, allein mit deinem Muth;
Schreit und bedenk, daß man zuruͤck den Schritt nie thut.
245.
Zum Himmel blick' empor, er iſt voll heller Kerzen;
Kind, freudig habe Gott vor Augen und im Herzen.
In jedem Augenblick ſollſt du ihm angehoͤren,
Das will er, doch dich nicht in deiner Freude ſtoͤren.
Er will nicht, daß du ſollſt in ſtetem Bangen ſchweben,
Denn er iſt nicht der Tod, er iſt das ew'ge Leben.
Verſchließeſt du dich ihm, ſo dringt er doch herein,
Und macht mit ſeinem Blitz zunicht den falſchen Schein.
Doch nimmſt du ſelbſt ihn ein, wird er mit Luſt dich naͤhren,
Und nicht dein Irdiſches vernichten, nur verklaͤren.
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