Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 2. Leipzig, 1837.Wer offen trägt sein Licht, von keinem Schirm umwacht, Hat unverlässiges Geleit bei wind'ger Nacht. Nur wem das Licht zugleich und die Latern' ist eigen, Sieht selber seinen Weg, und kann ihn andern zeigen. 203. Dein wahrer Freund ist nicht, wer dir den Spiegel hält Der Schmeichelei, worin dein Bild dir selbst gefällt. Dein wahrer Freund ist, wer dich sehn läßt deine Flecken, Und sie dir tilgen hilft, eh Feinde sie entdecken. 204. Wie selten ahnt ein Freund, was dein Gemüth bekriegt; Ihm steht von weitem, was dir nächst am Herzen liegt. Auch zwischen Freunden gibts unmittheilbare Sachen, Die jeder mit sich selbst und Gott hat abzumachen. Wer offen traͤgt ſein Licht, von keinem Schirm umwacht, Hat unverlaͤſſiges Geleit bei wind'ger Nacht. Nur wem das Licht zugleich und die Latern' iſt eigen, Sieht ſelber ſeinen Weg, und kann ihn andern zeigen. 203. Dein wahrer Freund iſt nicht, wer dir den Spiegel haͤlt Der Schmeichelei, worin dein Bild dir ſelbſt gefaͤllt. Dein wahrer Freund iſt, wer dich ſehn laͤßt deine Flecken, Und ſie dir tilgen hilft, eh Feinde ſie entdecken. 204. Wie ſelten ahnt ein Freund, was dein Gemuͤth bekriegt; Ihm ſteht von weitem, was dir naͤchſt am Herzen liegt. Auch zwiſchen Freunden gibts unmittheilbare Sachen, Die jeder mit ſich ſelbſt und Gott hat abzumachen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <l> <pb facs="#f0132" n="122"/> </l> <lg n="3"> <l>Wer offen traͤgt ſein Licht, von keinem Schirm umwacht,</l><lb/> <l>Hat unverlaͤſſiges Geleit bei wind'ger Nacht.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Nur wem das Licht zugleich und die Latern' iſt eigen,</l><lb/> <l>Sieht ſelber ſeinen Weg, und kann ihn andern zeigen.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head>203.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Dein wahrer Freund iſt nicht, wer dir den Spiegel haͤlt</l><lb/> <l>Der Schmeichelei, worin dein Bild dir ſelbſt gefaͤllt.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Dein wahrer Freund iſt, wer dich ſehn laͤßt deine Flecken,</l><lb/> <l>Und ſie dir tilgen hilft, eh Feinde ſie entdecken.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head>204.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Wie ſelten ahnt ein Freund, was dein Gemuͤth bekriegt;</l><lb/> <l>Ihm ſteht von weitem, was dir naͤchſt am Herzen liegt.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Auch zwiſchen Freunden gibts unmittheilbare Sachen,</l><lb/> <l>Die jeder mit ſich ſelbſt und Gott hat abzumachen.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [122/0132]
Wer offen traͤgt ſein Licht, von keinem Schirm umwacht,
Hat unverlaͤſſiges Geleit bei wind'ger Nacht.
Nur wem das Licht zugleich und die Latern' iſt eigen,
Sieht ſelber ſeinen Weg, und kann ihn andern zeigen.
203.
Dein wahrer Freund iſt nicht, wer dir den Spiegel haͤlt
Der Schmeichelei, worin dein Bild dir ſelbſt gefaͤllt.
Dein wahrer Freund iſt, wer dich ſehn laͤßt deine Flecken,
Und ſie dir tilgen hilft, eh Feinde ſie entdecken.
204.
Wie ſelten ahnt ein Freund, was dein Gemuͤth bekriegt;
Ihm ſteht von weitem, was dir naͤchſt am Herzen liegt.
Auch zwiſchen Freunden gibts unmittheilbare Sachen,
Die jeder mit ſich ſelbſt und Gott hat abzumachen.
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