Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 2. Leipzig, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite
194.
Ein alter Weiser lehrt, daß Tugend vielerlei,
Doch stets ein Mittleres von zweien Aeußern sei;
Im Wesen selber eins, doch von verschiednen Namen,
Wie viele Schößlinge aus einer Wurzel kamen.
Gerechtigkeit, entfernt von Zu- und Gegenneigung,
Von Vorlieb' und Mislieb', Abgunst und Gunstbezeigung.
Leutseligkeit, entfernt von Schmeichelei und Trutz,
Wie Wohlanständigkeit von Flitterpracht und Schmutz.
Mannhaftigkeit, entfernt von Trotzigkeit und Zagnis,
Und Tapferkeit, von Furcht und übermüth'gem Wagnis.
Freigebigkeit, gleichfern von Geiz und von Verschwendung;
Besonnenheit, so fern von Arglist als Verblendung.
Der Glaube, gleich entfernt von Un- und Ueberglauben,
Der nichts dir dringet auf, und nichts sich lässet rauben.
Die Nüchternheit, entfernt von Schlemmerei und Fasten;
Die Rührigkeit, entfernt von Uebereil' und Rasten.
194.
Ein alter Weiſer lehrt, daß Tugend vielerlei,
Doch ſtets ein Mittleres von zweien Aeußern ſei;
Im Weſen ſelber eins, doch von verſchiednen Namen,
Wie viele Schoͤßlinge aus einer Wurzel kamen.
Gerechtigkeit, entfernt von Zu- und Gegenneigung,
Von Vorlieb' und Mislieb', Abgunſt und Gunſtbezeigung.
Leutſeligkeit, entfernt von Schmeichelei und Trutz,
Wie Wohlanſtaͤndigkeit von Flitterpracht und Schmutz.
Mannhaftigkeit, entfernt von Trotzigkeit und Zagnis,
Und Tapferkeit, von Furcht und uͤbermuͤth'gem Wagnis.
Freigebigkeit, gleichfern von Geiz und von Verſchwendung;
Beſonnenheit, ſo fern von Argliſt als Verblendung.
Der Glaube, gleich entfernt von Un- und Ueberglauben,
Der nichts dir dringet auf, und nichts ſich laͤſſet rauben.
Die Nuͤchternheit, entfernt von Schlemmerei und Faſten;
Die Ruͤhrigkeit, entfernt von Uebereil' und Raſten.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0127" n="117"/>
        <div n="2">
          <head>194.</head><lb/>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l>Ein alter Wei&#x017F;er lehrt, daß Tugend vielerlei,</l><lb/>
              <l>Doch &#x017F;tets ein Mittleres von zweien Aeußern &#x017F;ei;</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l>Im We&#x017F;en &#x017F;elber eins, doch von ver&#x017F;chiednen Namen,</l><lb/>
              <l>Wie viele Scho&#x0364;ßlinge aus einer Wurzel kamen.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l>Gerechtigkeit, entfernt von Zu- und Gegenneigung,</l><lb/>
              <l>Von Vorlieb' und Mislieb', Abgun&#x017F;t und Gun&#x017F;tbezeigung.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="4">
              <l>Leut&#x017F;eligkeit, entfernt von Schmeichelei und Trutz,</l><lb/>
              <l>Wie Wohlan&#x017F;ta&#x0364;ndigkeit von Flitterpracht und Schmutz.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="5">
              <l>Mannhaftigkeit, entfernt von Trotzigkeit und Zagnis,</l><lb/>
              <l>Und Tapferkeit, von Furcht und u&#x0364;bermu&#x0364;th'gem Wagnis.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="6">
              <l>Freigebigkeit, gleichfern von Geiz und von Ver&#x017F;chwendung;</l><lb/>
              <l>Be&#x017F;onnenheit, &#x017F;o fern von Argli&#x017F;t als Verblendung.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="7">
              <l>Der Glaube, gleich entfernt von Un- und Ueberglauben,</l><lb/>
              <l>Der nichts dir dringet auf, und nichts &#x017F;ich la&#x0364;&#x017F;&#x017F;et rauben.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="8">
              <l>Die Nu&#x0364;chternheit, entfernt von Schlemmerei und Fa&#x017F;ten;</l><lb/>
              <l>Die Ru&#x0364;hrigkeit, entfernt von Uebereil' und Ra&#x017F;ten.</l>
            </lg><lb/>
            <l>
</l>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[117/0127] 194. Ein alter Weiſer lehrt, daß Tugend vielerlei, Doch ſtets ein Mittleres von zweien Aeußern ſei; Im Weſen ſelber eins, doch von verſchiednen Namen, Wie viele Schoͤßlinge aus einer Wurzel kamen. Gerechtigkeit, entfernt von Zu- und Gegenneigung, Von Vorlieb' und Mislieb', Abgunſt und Gunſtbezeigung. Leutſeligkeit, entfernt von Schmeichelei und Trutz, Wie Wohlanſtaͤndigkeit von Flitterpracht und Schmutz. Mannhaftigkeit, entfernt von Trotzigkeit und Zagnis, Und Tapferkeit, von Furcht und uͤbermuͤth'gem Wagnis. Freigebigkeit, gleichfern von Geiz und von Verſchwendung; Beſonnenheit, ſo fern von Argliſt als Verblendung. Der Glaube, gleich entfernt von Un- und Ueberglauben, Der nichts dir dringet auf, und nichts ſich laͤſſet rauben. Die Nuͤchternheit, entfernt von Schlemmerei und Faſten; Die Ruͤhrigkeit, entfernt von Uebereil' und Raſten.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane02_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane02_1837/127
Zitationshilfe: Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 2. Leipzig, 1837, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane02_1837/127>, abgerufen am 21.11.2024.