Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 2. Leipzig, 1837.156. Dem müden Wandersmann ist doch die Nacht willkommen, Die den bestaubten Stab ihm aus der Hand genommen. Und wenn das Leben nun ist eine Wanderreise, Was freuet Lebende der Tod nicht gleicherweise? Den Wandrer freut die Nacht, nur wenn er ist am Ziel, Auf halbem Wege nicht wenn sie ihn überfiel. Die meisten fürchten sich darum vorm Tod vielleicht, Weil sie des Lebens Ziel noch haben nicht erreicht. 157. An Schönes, Wahres hat uns oft ein Traum gemahnt, Was nicht in seinem Schatz der wache Geist geahnt. Doch Falsches, Hässliches auch hat er angedeutet, Was im Gemüthe längst wir glaubten ausgereutet. 156. Dem muͤden Wandersmann iſt doch die Nacht willkommen, Die den beſtaubten Stab ihm aus der Hand genommen. Und wenn das Leben nun iſt eine Wanderreiſe, Was freuet Lebende der Tod nicht gleicherweiſe? Den Wandrer freut die Nacht, nur wenn er iſt am Ziel, Auf halbem Wege nicht wenn ſie ihn uͤberfiel. Die meiſten fuͤrchten ſich darum vorm Tod vielleicht, Weil ſie des Lebens Ziel noch haben nicht erreicht. 157. An Schoͤnes, Wahres hat uns oft ein Traum gemahnt, Was nicht in ſeinem Schatz der wache Geiſt geahnt. Doch Falſches, Haͤſſliches auch hat er angedeutet, Was im Gemuͤthe laͤngſt wir glaubten ausgereutet. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0105" n="95"/> <div n="2"> <head>156.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Dem muͤden Wandersmann iſt doch die Nacht willkommen,</l><lb/> <l>Die den beſtaubten Stab ihm aus der Hand genommen.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Und wenn das Leben nun iſt eine Wanderreiſe,</l><lb/> <l>Was freuet Lebende der Tod nicht gleicherweiſe?</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Den Wandrer freut die Nacht, nur wenn er iſt am Ziel,</l><lb/> <l>Auf halbem Wege nicht wenn ſie ihn uͤberfiel.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Die meiſten fuͤrchten ſich darum vorm Tod vielleicht,</l><lb/> <l>Weil ſie des Lebens Ziel noch haben nicht erreicht.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head>157.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>An Schoͤnes, Wahres hat uns oft ein Traum gemahnt,</l><lb/> <l>Was nicht in ſeinem Schatz der wache Geiſt geahnt.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Doch Falſches, Haͤſſliches auch hat er angedeutet,</l><lb/> <l>Was im Gemuͤthe laͤngſt wir glaubten ausgereutet.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [95/0105]
156.
Dem muͤden Wandersmann iſt doch die Nacht willkommen,
Die den beſtaubten Stab ihm aus der Hand genommen.
Und wenn das Leben nun iſt eine Wanderreiſe,
Was freuet Lebende der Tod nicht gleicherweiſe?
Den Wandrer freut die Nacht, nur wenn er iſt am Ziel,
Auf halbem Wege nicht wenn ſie ihn uͤberfiel.
Die meiſten fuͤrchten ſich darum vorm Tod vielleicht,
Weil ſie des Lebens Ziel noch haben nicht erreicht.
157.
An Schoͤnes, Wahres hat uns oft ein Traum gemahnt,
Was nicht in ſeinem Schatz der wache Geiſt geahnt.
Doch Falſches, Haͤſſliches auch hat er angedeutet,
Was im Gemuͤthe laͤngſt wir glaubten ausgereutet.
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