Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 1. Leipzig, 1836.70. Wenn du der Außenwelt verschließest deine Sinne, Wirst du in dir das Welt- und Gottgeheimnis inne. Nimm von der Welt nicht ein, was deinen Geist zerstreut, Nur soviel daß daran dein Denken sich erneut. Nur einen Schimmer läßt ins dunkle Zimmer streifen, Wer in dem Strale will das ganze Licht begreifen. Dann mach das Fenster auf, damit du auch erkennst, Das Licht ist mehr noch als sein farbiges Gespenst. 71. Ich kam, ich weiß nicht wie, zu dieser Siedelei, Vertrieben und entflohn, genöthiget und frei. Wenn ich nicht gerne kam, will ich doch gerne bleiben, Will, hergetrieben, mich von hier nicht lassen treiben. Bin angewurzelt, angewachsen; reißt nicht aus Die Pflanz' aus ihrem Grund, die Schneck' aus ihrem Haus! 70. Wenn du der Außenwelt verſchließeſt deine Sinne, Wirſt du in dir das Welt- und Gottgeheimnis inne. Nimm von der Welt nicht ein, was deinen Geiſt zerſtreut, Nur ſoviel daß daran dein Denken ſich erneut. Nur einen Schimmer laͤßt ins dunkle Zimmer ſtreifen, Wer in dem Strale will das ganze Licht begreifen. Dann mach das Fenſter auf, damit du auch erkennſt, Das Licht iſt mehr noch als ſein farbiges Geſpenſt. 71. Ich kam, ich weiß nicht wie, zu dieſer Siedelei, Vertrieben und entflohn, genoͤthiget und frei. Wenn ich nicht gerne kam, will ich doch gerne bleiben, Will, hergetrieben, mich von hier nicht laſſen treiben. Bin angewurzelt, angewachſen; reißt nicht aus Die Pflanz' aus ihrem Grund, die Schneck' aus ihrem Haus! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0069" n="59"/> <div n="2"> <head>70.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Wenn du der Außenwelt verſchließeſt deine Sinne,</l><lb/> <l>Wirſt du in dir das Welt- und Gottgeheimnis inne.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Nimm von der Welt nicht ein, was deinen Geiſt zerſtreut,</l><lb/> <l>Nur ſoviel daß daran dein Denken ſich erneut.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Nur einen Schimmer laͤßt ins dunkle Zimmer ſtreifen,</l><lb/> <l>Wer in dem Strale will das ganze Licht begreifen.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Dann mach das Fenſter auf, damit du auch erkennſt,</l><lb/> <l>Das Licht iſt mehr noch als ſein farbiges Geſpenſt.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head>71.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Ich kam, ich weiß nicht wie, zu dieſer Siedelei,</l><lb/> <l>Vertrieben und entflohn, genoͤthiget und frei.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Wenn ich nicht gerne kam, will ich doch gerne bleiben,</l><lb/> <l>Will, hergetrieben, mich von hier nicht laſſen treiben.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Bin angewurzelt, angewachſen; reißt nicht aus</l><lb/> <l>Die Pflanz' aus ihrem Grund, die Schneck' aus ihrem Haus!</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [59/0069]
70.
Wenn du der Außenwelt verſchließeſt deine Sinne,
Wirſt du in dir das Welt- und Gottgeheimnis inne.
Nimm von der Welt nicht ein, was deinen Geiſt zerſtreut,
Nur ſoviel daß daran dein Denken ſich erneut.
Nur einen Schimmer laͤßt ins dunkle Zimmer ſtreifen,
Wer in dem Strale will das ganze Licht begreifen.
Dann mach das Fenſter auf, damit du auch erkennſt,
Das Licht iſt mehr noch als ſein farbiges Geſpenſt.
71.
Ich kam, ich weiß nicht wie, zu dieſer Siedelei,
Vertrieben und entflohn, genoͤthiget und frei.
Wenn ich nicht gerne kam, will ich doch gerne bleiben,
Will, hergetrieben, mich von hier nicht laſſen treiben.
Bin angewurzelt, angewachſen; reißt nicht aus
Die Pflanz' aus ihrem Grund, die Schneck' aus ihrem Haus!
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