Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 1. Leipzig, 1836.69. Die Seligkeit ist nicht, nur selig selbst zu seyn, Die Seligkeit ist nicht allein und nicht zu zweyn; Die Seligkeit ist nicht zu vielen, nur zu allen; Mir kann nur Seligkeit der ganzen Welt gefallen. Wer selig wär' und müßt' unselig andre wissen, Die eigne Seligkeit wär' ihm dadurch entrissen. Und die Vergessenheit kann Seligkeit nicht seyn, Vielmehr das Wissen ist die Seligkeit allein. Drum kann die Seligkeit auf Erden nicht bestehn, Weil hier die Seligen soviel Unsel'ge sehn. Und der Gedanke nur gibt Seligkeit auf Erden, Daß die Unseligen auch selig sollen werden. Wer dieses weiß, der trägt mit Eifer bei sein Theil Zum allgemeinen, wie zum eignen Seelenheil. Gott aber weiß den Weg zu Aller Heil allein; Drum ist nur selig Gott, in ihm nur kannst du's seyn. 69. Die Seligkeit iſt nicht, nur ſelig ſelbſt zu ſeyn, Die Seligkeit iſt nicht allein und nicht zu zweyn; Die Seligkeit iſt nicht zu vielen, nur zu allen; Mir kann nur Seligkeit der ganzen Welt gefallen. Wer ſelig waͤr' und muͤßt' unſelig andre wiſſen, Die eigne Seligkeit waͤr' ihm dadurch entriſſen. Und die Vergeſſenheit kann Seligkeit nicht ſeyn, Vielmehr das Wiſſen iſt die Seligkeit allein. Drum kann die Seligkeit auf Erden nicht beſtehn, Weil hier die Seligen ſoviel Unſel'ge ſehn. Und der Gedanke nur gibt Seligkeit auf Erden, Daß die Unſeligen auch ſelig ſollen werden. Wer dieſes weiß, der traͤgt mit Eifer bei ſein Theil Zum allgemeinen, wie zum eignen Seelenheil. Gott aber weiß den Weg zu Aller Heil allein; Drum iſt nur ſelig Gott, in ihm nur kannſt du's ſeyn. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0068" n="58"/> <div n="2"> <head>69.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Die Seligkeit iſt nicht, nur ſelig ſelbſt zu ſeyn,</l><lb/> <l>Die Seligkeit iſt nicht allein und nicht zu zweyn;</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Die Seligkeit iſt nicht zu vielen, nur zu allen;</l><lb/> <l>Mir kann nur Seligkeit der ganzen Welt gefallen.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Wer ſelig waͤr' und muͤßt' unſelig andre wiſſen,</l><lb/> <l>Die eigne Seligkeit waͤr' ihm dadurch entriſſen.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Und die Vergeſſenheit kann Seligkeit nicht ſeyn,</l><lb/> <l>Vielmehr das Wiſſen iſt die Seligkeit allein.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Drum kann die Seligkeit auf Erden nicht beſtehn,</l><lb/> <l>Weil hier die Seligen ſoviel Unſel'ge ſehn.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Und der Gedanke nur gibt Seligkeit auf Erden,</l><lb/> <l>Daß die Unſeligen auch ſelig ſollen werden.</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>Wer dieſes weiß, der traͤgt mit Eifer bei ſein Theil</l><lb/> <l>Zum allgemeinen, wie zum eignen Seelenheil.</l> </lg><lb/> <lg n="8"> <l>Gott aber weiß den Weg zu Aller Heil allein;</l><lb/> <l>Drum iſt nur ſelig Gott, in ihm nur kannſt du's ſeyn.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [58/0068]
69.
Die Seligkeit iſt nicht, nur ſelig ſelbſt zu ſeyn,
Die Seligkeit iſt nicht allein und nicht zu zweyn;
Die Seligkeit iſt nicht zu vielen, nur zu allen;
Mir kann nur Seligkeit der ganzen Welt gefallen.
Wer ſelig waͤr' und muͤßt' unſelig andre wiſſen,
Die eigne Seligkeit waͤr' ihm dadurch entriſſen.
Und die Vergeſſenheit kann Seligkeit nicht ſeyn,
Vielmehr das Wiſſen iſt die Seligkeit allein.
Drum kann die Seligkeit auf Erden nicht beſtehn,
Weil hier die Seligen ſoviel Unſel'ge ſehn.
Und der Gedanke nur gibt Seligkeit auf Erden,
Daß die Unſeligen auch ſelig ſollen werden.
Wer dieſes weiß, der traͤgt mit Eifer bei ſein Theil
Zum allgemeinen, wie zum eignen Seelenheil.
Gott aber weiß den Weg zu Aller Heil allein;
Drum iſt nur ſelig Gott, in ihm nur kannſt du's ſeyn.
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Zitationshilfe: | Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 1. Leipzig, 1836, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane01_1836/68>, abgerufen am 25.07.2024. |