Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 1. Leipzig, 1836.38. Ein mächt'ger König sprach: Mehr als im Ueberwinden Konnt' ich erst meine Macht ganz im Verzeihn empfinden. Der weise König sprach: Scheu dich, den zu beleidigen, Den Niemand gegen dich, als Gott nur, kann vertheidigen. Die Kränkung fremder Ehr' ist deiner Würd' Entweihung, Denn den Gekränkten mußt du bitten um Verzeihung. Wenn dich der Zorn befällt im Stehn, so setz dich nieder, Und wenn im Sitzen, streck' aufs Lager aus die Glieder. Laß seyn, was du nicht hörst! weil sichs von selbst versteht, Daß, wer ins Antlitz lobt, auch hinterm Rücken schmäht. Ein unbesonnen Wort, wo du es hörest sprechen, Thu alsob du nicht hörst, so brauchst du's nicht zu rächen. Derselbe sprach: Mein Reich liegt in der Sinne Schranken; Ich richte nach der That, und nicht nach den Gedanken. 38. Ein maͤcht'ger Koͤnig ſprach: Mehr als im Ueberwinden Konnt' ich erſt meine Macht ganz im Verzeihn empfinden. Der weiſe Koͤnig ſprach: Scheu dich, den zu beleidigen, Den Niemand gegen dich, als Gott nur, kann vertheidigen. Die Kraͤnkung fremder Ehr' iſt deiner Wuͤrd' Entweihung, Denn den Gekraͤnkten mußt du bitten um Verzeihung. Wenn dich der Zorn befaͤllt im Stehn, ſo ſetz dich nieder, Und wenn im Sitzen, ſtreck' aufs Lager aus die Glieder. Laß ſeyn, was du nicht hoͤrſt! weil ſichs von ſelbſt verſteht, Daß, wer ins Antlitz lobt, auch hinterm Ruͤcken ſchmaͤht. Ein unbeſonnen Wort, wo du es hoͤreſt ſprechen, Thu alsob du nicht hoͤrſt, ſo brauchſt du's nicht zu raͤchen. Derſelbe ſprach: Mein Reich liegt in der Sinne Schranken; Ich richte nach der That, und nicht nach den Gedanken. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0044" n="34"/> <div n="2"> <head>38.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Ein maͤcht'ger Koͤnig ſprach: Mehr als im Ueberwinden</l><lb/> <l>Konnt' ich erſt meine Macht ganz im Verzeihn empfinden.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Der weiſe Koͤnig ſprach: Scheu dich, den zu beleidigen,</l><lb/> <l>Den Niemand gegen dich, als Gott nur, kann vertheidigen.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Die Kraͤnkung fremder Ehr' iſt deiner Wuͤrd' Entweihung,</l><lb/> <l>Denn den Gekraͤnkten mußt du bitten um Verzeihung.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Wenn dich der Zorn befaͤllt im Stehn, ſo ſetz dich nieder,</l><lb/> <l>Und wenn im Sitzen, ſtreck' aufs Lager aus die Glieder.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Laß ſeyn, was du nicht hoͤrſt! weil ſichs von ſelbſt verſteht,</l><lb/> <l>Daß, wer ins Antlitz lobt, auch hinterm Ruͤcken ſchmaͤht.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Ein unbeſonnen Wort, wo du es hoͤreſt ſprechen,</l><lb/> <l>Thu alsob du nicht hoͤrſt, ſo brauchſt du's nicht zu raͤchen.</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>Derſelbe ſprach: Mein Reich liegt in der Sinne Schranken;</l><lb/> <l>Ich richte nach der That, und nicht nach den Gedanken.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [34/0044]
38.
Ein maͤcht'ger Koͤnig ſprach: Mehr als im Ueberwinden
Konnt' ich erſt meine Macht ganz im Verzeihn empfinden.
Der weiſe Koͤnig ſprach: Scheu dich, den zu beleidigen,
Den Niemand gegen dich, als Gott nur, kann vertheidigen.
Die Kraͤnkung fremder Ehr' iſt deiner Wuͤrd' Entweihung,
Denn den Gekraͤnkten mußt du bitten um Verzeihung.
Wenn dich der Zorn befaͤllt im Stehn, ſo ſetz dich nieder,
Und wenn im Sitzen, ſtreck' aufs Lager aus die Glieder.
Laß ſeyn, was du nicht hoͤrſt! weil ſichs von ſelbſt verſteht,
Daß, wer ins Antlitz lobt, auch hinterm Ruͤcken ſchmaͤht.
Ein unbeſonnen Wort, wo du es hoͤreſt ſprechen,
Thu alsob du nicht hoͤrſt, ſo brauchſt du's nicht zu raͤchen.
Derſelbe ſprach: Mein Reich liegt in der Sinne Schranken;
Ich richte nach der That, und nicht nach den Gedanken.
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