Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 1. Leipzig, 1836.24. Der Strom, einmal getrübt, muß fließen eine Weile, Eh aus der innern Füll' er seinen Schaden heile. Vom Sturm erschüttert, muß in Wolkendampf die Luft Ausgähren, bis sie sich verklärt in reinen Duft. So muß ein menschliches Gemüth auch erst ausschwanken, Wenn es ein äußrer Stoß, ein innrer, macht' erkranken. Leicht heilt die Wunde, die man deinem Leib geschlagen; Die selbst dein Herz sich schlug, wird späte Narben tragen. Doch wenn es grausam heißt, dem Freund die Wund' aufreißen; Sich selber es zu thun, kann auch nicht menschlich heißen. Viel lieber lindes Oel geuß, das du hast im Haus, Auf deine Schmerzen und auf alle fremden aus. 24. Der Strom, einmal getruͤbt, muß fließen eine Weile, Eh aus der innern Fuͤll' er ſeinen Schaden heile. Vom Sturm erſchuͤttert, muß in Wolkendampf die Luft Ausgaͤhren, bis ſie ſich verklaͤrt in reinen Duft. So muß ein menſchliches Gemuͤth auch erſt ausſchwanken, Wenn es ein aͤußrer Stoß, ein innrer, macht' erkranken. Leicht heilt die Wunde, die man deinem Leib geſchlagen; Die ſelbſt dein Herz ſich ſchlug, wird ſpaͤte Narben tragen. Doch wenn es grauſam heißt, dem Freund die Wund' aufreißen; Sich ſelber es zu thun, kann auch nicht menſchlich heißen. Viel lieber lindes Oel geuß, das du haſt im Haus, Auf deine Schmerzen und auf alle fremden aus. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0034" n="24"/> <div n="2"> <head>24.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Der Strom, einmal getruͤbt, muß fließen eine Weile,</l><lb/> <l>Eh aus der innern Fuͤll' er ſeinen Schaden heile.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Vom Sturm erſchuͤttert, muß in Wolkendampf die Luft</l><lb/> <l>Ausgaͤhren, bis ſie ſich verklaͤrt in reinen Duft.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>So muß ein menſchliches Gemuͤth auch erſt ausſchwanken,</l><lb/> <l>Wenn es ein aͤußrer Stoß, ein innrer, macht' erkranken.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Leicht heilt die Wunde, die man deinem Leib geſchlagen;</l><lb/> <l>Die ſelbſt dein Herz ſich ſchlug, wird ſpaͤte Narben tragen.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Doch wenn es grauſam heißt, dem Freund die Wund' aufreißen;</l><lb/> <l>Sich ſelber es zu thun, kann auch nicht menſchlich heißen.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Viel lieber lindes Oel geuß, das du haſt im Haus,</l><lb/> <l>Auf deine Schmerzen und auf alle fremden aus.</l> </lg> </lg> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [24/0034]
24.
Der Strom, einmal getruͤbt, muß fließen eine Weile,
Eh aus der innern Fuͤll' er ſeinen Schaden heile.
Vom Sturm erſchuͤttert, muß in Wolkendampf die Luft
Ausgaͤhren, bis ſie ſich verklaͤrt in reinen Duft.
So muß ein menſchliches Gemuͤth auch erſt ausſchwanken,
Wenn es ein aͤußrer Stoß, ein innrer, macht' erkranken.
Leicht heilt die Wunde, die man deinem Leib geſchlagen;
Die ſelbſt dein Herz ſich ſchlug, wird ſpaͤte Narben tragen.
Doch wenn es grauſam heißt, dem Freund die Wund' aufreißen;
Sich ſelber es zu thun, kann auch nicht menſchlich heißen.
Viel lieber lindes Oel geuß, das du haſt im Haus,
Auf deine Schmerzen und auf alle fremden aus.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |