Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 1. Leipzig, 1836.35. Du hast auf stein'ger Höh mit Müh gepflanzt den Garten, Und noch mühsamer ist der Wässerung zu warten. Ich wünschte dir dazu solch einen Quell verliehn, Wie der von dem ich las, selbst sah ich niemals ihn; Der so willfährig ist, wie alle Elemente Dem Menschen wären, wenn er erst den Zauber kennte. Der fließt aus einer Schlucht, doch fließt nur wenn man will; Und wenn man es befiehlt, so steht er wieder still. Wer von den Nachbarn nun will seinen Garten wässern, Der geht zum Quell hin nicht mit Näpfen oder Fässern. Er geht nur hin und ruft laut in die Felsenschlucht: Ich brauche Wasser, Quell! und nimmt sogleich die Flucht. Alsbald kommt auf den Fuß die Flut ihm nachgeflossen, Und hat aufs Gartenland befruchtend sich ergossen. 35. Du haſt auf ſtein'ger Hoͤh mit Muͤh gepflanzt den Garten, Und noch muͤhſamer iſt der Waͤſſerung zu warten. Ich wuͤnſchte dir dazu ſolch einen Quell verliehn, Wie der von dem ich las, ſelbſt ſah ich niemals ihn; Der ſo willfaͤhrig iſt, wie alle Elemente Dem Menſchen waͤren, wenn er erſt den Zauber kennte. Der fließt aus einer Schlucht, doch fließt nur wenn man will; Und wenn man es befiehlt, ſo ſteht er wieder ſtill. Wer von den Nachbarn nun will ſeinen Garten waͤſſern, Der geht zum Quell hin nicht mit Naͤpfen oder Faͤſſern. Er geht nur hin und ruft laut in die Felſenſchlucht: Ich brauche Waſſer, Quell! und nimmt ſogleich die Flucht. Alsbald kommt auf den Fuß die Flut ihm nachgefloſſen, Und hat aufs Gartenland befruchtend ſich ergoſſen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0250" n="240"/> <div n="2"> <head>35.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Du haſt auf ſtein'ger Hoͤh mit Muͤh gepflanzt den Garten,</l><lb/> <l>Und noch muͤhſamer iſt der Waͤſſerung zu warten.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Ich wuͤnſchte dir dazu ſolch einen Quell verliehn,</l><lb/> <l>Wie der von dem ich las, ſelbſt ſah ich niemals ihn;</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Der ſo willfaͤhrig iſt, wie alle Elemente</l><lb/> <l>Dem Menſchen waͤren, wenn er erſt den Zauber kennte.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Der fließt aus einer Schlucht, doch fließt nur wenn man will;</l><lb/> <l>Und wenn man es befiehlt, ſo ſteht er wieder ſtill.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Wer von den Nachbarn nun will ſeinen Garten waͤſſern,</l><lb/> <l>Der geht zum Quell hin nicht mit Naͤpfen oder Faͤſſern.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Er geht nur hin und ruft laut in die Felſenſchlucht:</l><lb/> <l>Ich brauche Waſſer, Quell! und nimmt ſogleich die Flucht.</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>Alsbald kommt auf den Fuß die Flut ihm nachgefloſſen,</l><lb/> <l>Und hat aufs Gartenland befruchtend ſich ergoſſen.</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [240/0250]
35.
Du haſt auf ſtein'ger Hoͤh mit Muͤh gepflanzt den Garten,
Und noch muͤhſamer iſt der Waͤſſerung zu warten.
Ich wuͤnſchte dir dazu ſolch einen Quell verliehn,
Wie der von dem ich las, ſelbſt ſah ich niemals ihn;
Der ſo willfaͤhrig iſt, wie alle Elemente
Dem Menſchen waͤren, wenn er erſt den Zauber kennte.
Der fließt aus einer Schlucht, doch fließt nur wenn man will;
Und wenn man es befiehlt, ſo ſteht er wieder ſtill.
Wer von den Nachbarn nun will ſeinen Garten waͤſſern,
Der geht zum Quell hin nicht mit Naͤpfen oder Faͤſſern.
Er geht nur hin und ruft laut in die Felſenſchlucht:
Ich brauche Waſſer, Quell! und nimmt ſogleich die Flucht.
Alsbald kommt auf den Fuß die Flut ihm nachgefloſſen,
Und hat aufs Gartenland befruchtend ſich ergoſſen.
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