Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 1. Leipzig, 1836.90. Ihr dürft unanerkannt mich lassen und vergessen; Doch wenn ihr an mich denkt, so sei es angemessen. Daß ihr mich ehren sollt, hab' ich ja nicht begehrt; Wenn ihr mich ehren wollt, so sei es ehrenwerth. 91. Ich weiß nicht, was geschehn ist in der Welt derweile? Gewiß viel Wichtiges in dem und jenem Theile. Allein es hat mein Ohr, mein Auge nicht berührt, Und keine Ahnung auch hab' ich davon gespürt. Und gleichwol ist es da, nur ohne daß ichs weiß, Und macht, auch unbemerkt, schon kalt mir oder heiß; Weil nichts den großen Leib der Menschheit kann berühren, Davon nicht Mitgefühl die Glieder müßten spüren. Und könnt' ich klar nur in des Herzen Spiegel sehn, So fänd' ich schon darin, was in der Welt geschehn. 90. Ihr duͤrft unanerkannt mich laſſen und vergeſſen; Doch wenn ihr an mich denkt, ſo ſei es angemeſſen. Daß ihr mich ehren ſollt, hab' ich ja nicht begehrt; Wenn ihr mich ehren wollt, ſo ſei es ehrenwerth. 91. Ich weiß nicht, was geſchehn iſt in der Welt derweile? Gewiß viel Wichtiges in dem und jenem Theile. Allein es hat mein Ohr, mein Auge nicht beruͤhrt, Und keine Ahnung auch hab' ich davon geſpuͤrt. Und gleichwol iſt es da, nur ohne daß ichs weiß, Und macht, auch unbemerkt, ſchon kalt mir oder heiß; Weil nichts den großen Leib der Menſchheit kann beruͤhren, Davon nicht Mitgefuͤhl die Glieder muͤßten ſpuͤren. Und koͤnnt' ich klar nur in des Herzen Spiegel ſehn, So faͤnd' ich ſchon darin, was in der Welt geſchehn. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0207" n="197"/> <div n="2"> <head>90.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Ihr duͤrft unanerkannt mich laſſen und vergeſſen;</l><lb/> <l>Doch wenn ihr an mich denkt, ſo ſei es angemeſſen.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Daß ihr mich ehren ſollt, hab' ich ja nicht begehrt;</l><lb/> <l>Wenn ihr mich ehren wollt, ſo ſei es ehrenwerth.</l> </lg> </lg><lb/> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head>91.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Ich weiß nicht, was geſchehn iſt in der Welt derweile?</l><lb/> <l>Gewiß viel Wichtiges in dem und jenem Theile.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Allein es hat mein Ohr, mein Auge nicht beruͤhrt,</l><lb/> <l>Und keine Ahnung auch hab' ich davon geſpuͤrt.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Und gleichwol iſt es da, nur ohne daß ichs weiß,</l><lb/> <l>Und macht, auch unbemerkt, ſchon kalt mir oder heiß;</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Weil nichts den großen Leib der Menſchheit kann beruͤhren,</l><lb/> <l>Davon nicht Mitgefuͤhl die Glieder muͤßten ſpuͤren.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Und koͤnnt' ich klar nur in des Herzen Spiegel ſehn,</l><lb/> <l>So faͤnd' ich ſchon darin, was in der Welt geſchehn.</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [197/0207]
90.
Ihr duͤrft unanerkannt mich laſſen und vergeſſen;
Doch wenn ihr an mich denkt, ſo ſei es angemeſſen.
Daß ihr mich ehren ſollt, hab' ich ja nicht begehrt;
Wenn ihr mich ehren wollt, ſo ſei es ehrenwerth.
91.
Ich weiß nicht, was geſchehn iſt in der Welt derweile?
Gewiß viel Wichtiges in dem und jenem Theile.
Allein es hat mein Ohr, mein Auge nicht beruͤhrt,
Und keine Ahnung auch hab' ich davon geſpuͤrt.
Und gleichwol iſt es da, nur ohne daß ichs weiß,
Und macht, auch unbemerkt, ſchon kalt mir oder heiß;
Weil nichts den großen Leib der Menſchheit kann beruͤhren,
Davon nicht Mitgefuͤhl die Glieder muͤßten ſpuͤren.
Und koͤnnt' ich klar nur in des Herzen Spiegel ſehn,
So faͤnd' ich ſchon darin, was in der Welt geſchehn.
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