Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 1. Leipzig, 1836.6. Alswie der Mensch, so ist sein Gott, so ist sein Glaube, Aus geist'gem Aether bald, und bald aus Erdenstaube. Doch doppelt ist der Gott, der Glaube doppelt auch, Hier selbstentglommner Trieb, dort überkommner Brauch. Das Eigenste wird ganz nie frei vom Angenommnen, Doch übt die Eigenheit ihr Recht am Ueberkommnen. Man reißt das Haus nicht ein, das Väter uns gebaut, Doch richtet man sich's ein, wie man's am liebsten schaut. Und räumt man nicht hinweg ehrwürd'ge Ahnenbilder, Durch Deutung macht man sie und durch Umgebung milder. Des Glaubens Bilder sind unendlich umzudeuten, Das macht so brauchbar sie bei so verschiednen Leuten. 6. Alswie der Menſch, ſo iſt ſein Gott, ſo iſt ſein Glaube, Aus geiſt'gem Aether bald, und bald aus Erdenſtaube. Doch doppelt iſt der Gott, der Glaube doppelt auch, Hier ſelbſtentglommner Trieb, dort uͤberkommner Brauch. Das Eigenſte wird ganz nie frei vom Angenommnen, Doch uͤbt die Eigenheit ihr Recht am Ueberkommnen. Man reißt das Haus nicht ein, das Vaͤter uns gebaut, Doch richtet man ſich's ein, wie man's am liebſten ſchaut. Und raͤumt man nicht hinweg ehrwuͤrd'ge Ahnenbilder, Durch Deutung macht man ſie und durch Umgebung milder. Des Glaubens Bilder ſind unendlich umzudeuten, Das macht ſo brauchbar ſie bei ſo verſchiednen Leuten. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0017" n="7"/> <div n="2"> <head>6.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Alswie der Menſch, ſo iſt ſein Gott, ſo iſt ſein Glaube,</l><lb/> <l>Aus geiſt'gem Aether bald, und bald aus Erdenſtaube.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Doch doppelt iſt der Gott, der Glaube doppelt auch,</l><lb/> <l>Hier ſelbſtentglommner Trieb, dort uͤberkommner Brauch.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Das Eigenſte wird ganz nie frei vom Angenommnen,</l><lb/> <l>Doch uͤbt die Eigenheit ihr Recht am Ueberkommnen.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Man reißt das Haus nicht ein, das Vaͤter uns gebaut,</l><lb/> <l>Doch richtet man ſich's ein, wie man's am liebſten ſchaut.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Und raͤumt man nicht hinweg ehrwuͤrd'ge Ahnenbilder,</l><lb/> <l>Durch Deutung macht man ſie und durch Umgebung milder.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Des Glaubens Bilder ſind unendlich umzudeuten,</l><lb/> <l>Das macht ſo brauchbar ſie bei ſo verſchiednen Leuten.</l> </lg> </lg> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [7/0017]
6.
Alswie der Menſch, ſo iſt ſein Gott, ſo iſt ſein Glaube,
Aus geiſt'gem Aether bald, und bald aus Erdenſtaube.
Doch doppelt iſt der Gott, der Glaube doppelt auch,
Hier ſelbſtentglommner Trieb, dort uͤberkommner Brauch.
Das Eigenſte wird ganz nie frei vom Angenommnen,
Doch uͤbt die Eigenheit ihr Recht am Ueberkommnen.
Man reißt das Haus nicht ein, das Vaͤter uns gebaut,
Doch richtet man ſich's ein, wie man's am liebſten ſchaut.
Und raͤumt man nicht hinweg ehrwuͤrd'ge Ahnenbilder,
Durch Deutung macht man ſie und durch Umgebung milder.
Des Glaubens Bilder ſind unendlich umzudeuten,
Das macht ſo brauchbar ſie bei ſo verſchiednen Leuten.
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