Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 1. Leipzig, 1836.18. Mit Andacht hab' ich in den Regen aufgeblickt, Der endlich, lang ersehnt, die durst'ge Welt erquickt. Ich habe wol für mich zu trinken stets gehabt, Doch hat nichts, weil die Welt gedurstet, mich gelabt. Nun schweigend alle, die zuvor gedurstet, tranken, Mußt' ich in meinem und in ihrem Namen danken. 19. Von Lob und Tadel hängt mitnichten ab dein Adel, Doch ehr als halbes Lob wünsch' ich dir ganzen Tadel. Der Tadel spornet dich, den du gerecht erachtest, Und ungerechter kränkt dich nicht, den du verachtest. Doch kahles Lob, wie zur Abspeisung nur bestimmt, Ein Brocken ists, womit vorlieb ein Bettler nimmt. 18. Mit Andacht hab' ich in den Regen aufgeblickt, Der endlich, lang erſehnt, die durſt'ge Welt erquickt. Ich habe wol fuͤr mich zu trinken ſtets gehabt, Doch hat nichts, weil die Welt gedurſtet, mich gelabt. Nun ſchweigend alle, die zuvor gedurſtet, tranken, Mußt' ich in meinem und in ihrem Namen danken. 19. Von Lob und Tadel haͤngt mitnichten ab dein Adel, Doch ehr als halbes Lob wuͤnſch' ich dir ganzen Tadel. Der Tadel ſpornet dich, den du gerecht erachteſt, Und ungerechter kraͤnkt dich nicht, den du verachteſt. Doch kahles Lob, wie zur Abſpeiſung nur beſtimmt, Ein Brocken iſts, womit vorlieb ein Bettler nimmt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0156" n="146"/> <div n="2"> <head>18.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Mit Andacht hab' ich in den Regen aufgeblickt,</l><lb/> <l>Der endlich, lang erſehnt, die durſt'ge Welt erquickt.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Ich habe wol fuͤr mich zu trinken ſtets gehabt,</l><lb/> <l>Doch hat nichts, weil die Welt gedurſtet, mich gelabt.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Nun ſchweigend alle, die zuvor gedurſtet, tranken,</l><lb/> <l>Mußt' ich in meinem und in ihrem Namen danken.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head>19.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Von Lob und Tadel haͤngt mitnichten ab dein Adel,</l><lb/> <l>Doch ehr als halbes Lob wuͤnſch' ich dir ganzen Tadel.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Der Tadel ſpornet dich, den du gerecht erachteſt,</l><lb/> <l>Und ungerechter kraͤnkt dich nicht, den du verachteſt.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Doch kahles Lob, wie zur Abſpeiſung nur beſtimmt,</l><lb/> <l>Ein Brocken iſts, womit vorlieb ein Bettler nimmt.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [146/0156]
18.
Mit Andacht hab' ich in den Regen aufgeblickt,
Der endlich, lang erſehnt, die durſt'ge Welt erquickt.
Ich habe wol fuͤr mich zu trinken ſtets gehabt,
Doch hat nichts, weil die Welt gedurſtet, mich gelabt.
Nun ſchweigend alle, die zuvor gedurſtet, tranken,
Mußt' ich in meinem und in ihrem Namen danken.
19.
Von Lob und Tadel haͤngt mitnichten ab dein Adel,
Doch ehr als halbes Lob wuͤnſch' ich dir ganzen Tadel.
Der Tadel ſpornet dich, den du gerecht erachteſt,
Und ungerechter kraͤnkt dich nicht, den du verachteſt.
Doch kahles Lob, wie zur Abſpeiſung nur beſtimmt,
Ein Brocken iſts, womit vorlieb ein Bettler nimmt.
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