Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863.

Bild:
<< vorherige Seite

Himmel durch das sonndurchleuchtete Grün des flüsternden Laubes und
unser Schauen gleitet an den Säulen andächtig hinauf in den irdischen
Himmel und begegnet der helläugigen Spechtmeise und dem kleinen Baum-
läufer, welche unhörbar an den glatten Stämmen auf und abgleiten wie
die Gedanken des in solcher Schönheit Versunkenen.

2. Die Stiel- oder Sommereiche, Quercus pendunculata L.

Die einhäusigen Blüthen erscheinen im Mai mit dem Ausbruch des
Laubes, die weiblichen an der Spitze des jungen Triebes, die männlichen
aus ausschließlichen Blüthenknospen am vorjährigen Triebe.

Die männlichen Blüthen bilden lange hängende lückige Kätzchen
mit fadenförmiger Axe, woran die ungestielten Blüthen unregelmäßig
zerstreut sitzen. Sie bestehen blos aus einem fünftheiligen flachausge-
breiteten Kelche und 5--10 Staubgefäßen mit kurzen Staubfäden (3.
4. 5.). Die weiblichen Blüthen stehen zu 1--3 am Ende eines
ziemlich langen Stieles (1.) und bestehen aus einem mit 3 kurzen Narben
gekrönten Stempel, welcher von einem dachziegelartig schuppigen verwachsenen
Kelche umschlossen ist; außen stehen 2 lanzettliche Deckschuppen (6. 7.).

Fast immer kommen alle auf dem gemeinsamen Stiele stehenden
Blüthen zur Fruchtentwicklung. Aus dem dachziegelartig schuppigen
Kelche wird das Schüsselchen der Eichelfrucht, in welcher die eirund
walzenförmige kurzstachelspitzige Eichel mit einem breiten kreisrunden Nabel
festsitzt, sich jedoch nach erfolgter Reife ablöst und aus dem Schüsselchen
auslöst, welche später mit dem Stiele ebenfalls abfällt. Die Eichel besteht
ganz ähnlich der Mandel aus zwei großen Samenlappen, welche nur an
der Spitze der Eichel, wo der Keim liegt, zusammenhängen. Die pergament-
artige Samenschale der reifen Eichel hat eine kaffeebraune Farbe.

Das Blatt der Eiche ist das bekannteste von allen unseren Laub-
hölzern und die nicht minder bekannten kleinen Verschiedenheiten desselben
tragen wahrscheinlich nicht wenig dazu bei, der Eichenbelaubung das
moosartig Krause zu geben. Der nach dem Stiele hin verschmälerte,
verkehrt eiförmige Umriß des Blattes ist durch tiefe Einbuchtungen, die
meist bis über die Mitte der Blatthälfte hinein reichen, in unregelmäßige

Himmel durch das ſonndurchleuchtete Grün des flüſternden Laubes und
unſer Schauen gleitet an den Säulen andächtig hinauf in den irdiſchen
Himmel und begegnet der helläugigen Spechtmeiſe und dem kleinen Baum-
läufer, welche unhörbar an den glatten Stämmen auf und abgleiten wie
die Gedanken des in ſolcher Schönheit Verſunkenen.

2. Die Stiel- oder Sommereiche, Quercus pendunculata L.

Die einhäuſigen Blüthen erſcheinen im Mai mit dem Ausbruch des
Laubes, die weiblichen an der Spitze des jungen Triebes, die männlichen
aus ausſchließlichen Blüthenknospen am vorjährigen Triebe.

Die männlichen Blüthen bilden lange hängende lückige Kätzchen
mit fadenförmiger Axe, woran die ungeſtielten Blüthen unregelmäßig
zerſtreut ſitzen. Sie beſtehen blos aus einem fünftheiligen flachausge-
breiteten Kelche und 5—10 Staubgefäßen mit kurzen Staubfäden (3.
4. 5.). Die weiblichen Blüthen ſtehen zu 1—3 am Ende eines
ziemlich langen Stieles (1.) und beſtehen aus einem mit 3 kurzen Narben
gekrönten Stempel, welcher von einem dachziegelartig ſchuppigen verwachſenen
Kelche umſchloſſen iſt; außen ſtehen 2 lanzettliche Deckſchuppen (6. 7.).

Faſt immer kommen alle auf dem gemeinſamen Stiele ſtehenden
Blüthen zur Fruchtentwicklung. Aus dem dachziegelartig ſchuppigen
Kelche wird das Schüſſelchen der Eichelfrucht, in welcher die eirund
walzenförmige kurzſtachelſpitzige Eichel mit einem breiten kreisrunden Nabel
feſtſitzt, ſich jedoch nach erfolgter Reife ablöſt und aus dem Schüſſelchen
auslöſt, welche ſpäter mit dem Stiele ebenfalls abfällt. Die Eichel beſteht
ganz ähnlich der Mandel aus zwei großen Samenlappen, welche nur an
der Spitze der Eichel, wo der Keim liegt, zuſammenhängen. Die pergament-
artige Samenſchale der reifen Eichel hat eine kaffeebraune Farbe.

Das Blatt der Eiche iſt das bekannteſte von allen unſeren Laub-
hölzern und die nicht minder bekannten kleinen Verſchiedenheiten deſſelben
tragen wahrſcheinlich nicht wenig dazu bei, der Eichenbelaubung das
moosartig Krauſe zu geben. Der nach dem Stiele hin verſchmälerte,
verkehrt eiförmige Umriß des Blattes iſt durch tiefe Einbuchtungen, die
meiſt bis über die Mitte der Blatthälfte hinein reichen, in unregelmäßige

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0416" n="382"/>
Himmel durch das &#x017F;onndurchleuchtete Grün des flü&#x017F;ternden Laubes und<lb/>
un&#x017F;er Schauen gleitet an den Säulen andächtig hinauf in den irdi&#x017F;chen<lb/>
Himmel und begegnet der helläugigen Spechtmei&#x017F;e und dem kleinen Baum-<lb/>
läufer, welche unhörbar an den glatten Stämmen auf und abgleiten wie<lb/>
die Gedanken des in &#x017F;olcher Schönheit Ver&#x017F;unkenen.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head> <hi rendition="#b">2. Die Stiel- oder Sommereiche, <hi rendition="#aq">Quercus pendunculata L.</hi></hi> </head><lb/>
              <p>Die einhäu&#x017F;igen Blüthen er&#x017F;cheinen im Mai mit dem Ausbruch des<lb/>
Laubes, die weiblichen an der Spitze des jungen Triebes, die männlichen<lb/>
aus aus&#x017F;chließlichen Blüthenknospen am vorjährigen Triebe.</p><lb/>
              <p>Die <hi rendition="#g">männlichen Blüthen</hi> bilden lange hängende lückige Kätzchen<lb/>
mit fadenförmiger Axe, woran die unge&#x017F;tielten Blüthen unregelmäßig<lb/>
zer&#x017F;treut &#x017F;itzen. Sie be&#x017F;tehen blos aus einem fünftheiligen flachausge-<lb/>
breiteten Kelche und 5&#x2014;10 Staubgefäßen mit kurzen Staubfäden (3.<lb/>
4. 5.). Die <hi rendition="#g">weiblichen Blüthen</hi> &#x017F;tehen zu 1&#x2014;3 am Ende eines<lb/>
ziemlich langen Stieles (1.) und be&#x017F;tehen aus einem mit 3 kurzen Narben<lb/>
gekrönten Stempel, welcher von einem dachziegelartig &#x017F;chuppigen verwach&#x017F;enen<lb/>
Kelche um&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en i&#x017F;t; außen &#x017F;tehen 2 lanzettliche Deck&#x017F;chuppen (6. 7.).</p><lb/>
              <p>Fa&#x017F;t immer kommen alle auf dem gemein&#x017F;amen Stiele &#x017F;tehenden<lb/>
Blüthen zur <hi rendition="#g">Fruchte</hi>ntwicklung. Aus dem dachziegelartig &#x017F;chuppigen<lb/>
Kelche wird das Schü&#x017F;&#x017F;elchen der Eichelfrucht, in welcher die eirund<lb/>
walzenförmige kurz&#x017F;tachel&#x017F;pitzige Eichel mit einem breiten kreisrunden Nabel<lb/>
fe&#x017F;t&#x017F;itzt, &#x017F;ich jedoch nach erfolgter Reife ablö&#x017F;t und aus dem Schü&#x017F;&#x017F;elchen<lb/>
auslö&#x017F;t, welche &#x017F;päter mit dem Stiele ebenfalls abfällt. Die Eichel be&#x017F;teht<lb/>
ganz ähnlich der Mandel aus zwei großen Samenlappen, welche nur an<lb/>
der Spitze der Eichel, wo der Keim liegt, zu&#x017F;ammenhängen. Die pergament-<lb/>
artige Samen&#x017F;chale der reifen Eichel hat eine kaffeebraune Farbe.</p><lb/>
              <p>Das <hi rendition="#g">Blatt</hi> der Eiche i&#x017F;t das bekannte&#x017F;te von allen un&#x017F;eren Laub-<lb/>
hölzern und die nicht minder bekannten kleinen Ver&#x017F;chiedenheiten de&#x017F;&#x017F;elben<lb/>
tragen wahr&#x017F;cheinlich nicht wenig dazu bei, der Eichenbelaubung das<lb/>
moosartig Krau&#x017F;e zu geben. Der nach dem Stiele hin ver&#x017F;chmälerte,<lb/>
verkehrt eiförmige Umriß des Blattes i&#x017F;t durch tiefe Einbuchtungen, die<lb/>
mei&#x017F;t bis über die Mitte der Blatthälfte hinein reichen, in unregelmäßige<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[382/0416] Himmel durch das ſonndurchleuchtete Grün des flüſternden Laubes und unſer Schauen gleitet an den Säulen andächtig hinauf in den irdiſchen Himmel und begegnet der helläugigen Spechtmeiſe und dem kleinen Baum- läufer, welche unhörbar an den glatten Stämmen auf und abgleiten wie die Gedanken des in ſolcher Schönheit Verſunkenen. 2. Die Stiel- oder Sommereiche, Quercus pendunculata L. Die einhäuſigen Blüthen erſcheinen im Mai mit dem Ausbruch des Laubes, die weiblichen an der Spitze des jungen Triebes, die männlichen aus ausſchließlichen Blüthenknospen am vorjährigen Triebe. Die männlichen Blüthen bilden lange hängende lückige Kätzchen mit fadenförmiger Axe, woran die ungeſtielten Blüthen unregelmäßig zerſtreut ſitzen. Sie beſtehen blos aus einem fünftheiligen flachausge- breiteten Kelche und 5—10 Staubgefäßen mit kurzen Staubfäden (3. 4. 5.). Die weiblichen Blüthen ſtehen zu 1—3 am Ende eines ziemlich langen Stieles (1.) und beſtehen aus einem mit 3 kurzen Narben gekrönten Stempel, welcher von einem dachziegelartig ſchuppigen verwachſenen Kelche umſchloſſen iſt; außen ſtehen 2 lanzettliche Deckſchuppen (6. 7.). Faſt immer kommen alle auf dem gemeinſamen Stiele ſtehenden Blüthen zur Fruchtentwicklung. Aus dem dachziegelartig ſchuppigen Kelche wird das Schüſſelchen der Eichelfrucht, in welcher die eirund walzenförmige kurzſtachelſpitzige Eichel mit einem breiten kreisrunden Nabel feſtſitzt, ſich jedoch nach erfolgter Reife ablöſt und aus dem Schüſſelchen auslöſt, welche ſpäter mit dem Stiele ebenfalls abfällt. Die Eichel beſteht ganz ähnlich der Mandel aus zwei großen Samenlappen, welche nur an der Spitze der Eichel, wo der Keim liegt, zuſammenhängen. Die pergament- artige Samenſchale der reifen Eichel hat eine kaffeebraune Farbe. Das Blatt der Eiche iſt das bekannteſte von allen unſeren Laub- hölzern und die nicht minder bekannten kleinen Verſchiedenheiten deſſelben tragen wahrſcheinlich nicht wenig dazu bei, der Eichenbelaubung das moosartig Krauſe zu geben. Der nach dem Stiele hin verſchmälerte, verkehrt eiförmige Umriß des Blattes iſt durch tiefe Einbuchtungen, die meiſt bis über die Mitte der Blatthälfte hinein reichen, in unregelmäßige

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/416
Zitationshilfe: Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 382. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/416>, abgerufen am 21.11.2024.