Im Tannenwalde herrscht tiefe Trauer; wie Todtenklage, wie Grabesschauer, so weht's durch der Wildniß umnachtete Mauer. Dahingestreckt am Waldessaum in's Leichenbett aus moosigem Flaum, gemordet liegt der urälteste Baum. -- O, seht den Mörder über die Steppe fahren, er rast in Ver- zweiflung mit fliegenden Haaren, verfolgt und ge- geißelt von rächenden Schaaren. -- Den armen Mörder, o laßt ihn ziehen, ihm ist's gegeben, Un- heil zu sprühen. Und neu aus dem Tode wird Leben blühen.
Nicht der alte Rüppel ist es, der mich ansteckt, daß ich schon am frühen Morgen solche Zeilen schreibe, sondern eine innere Bewegung, die mich bei der Kunde von dem Sturme erfaßt, hat sich in Worten Luft gemacht.
In dieser Nacht hat ein Sturm gehaust. In Winkelsteg haben wir nichts verspürt; nur ein
Die Antwort des Einſpanig.
Am Morgen.
Im Tannenwalde herrſcht tiefe Trauer; wie Todtenklage, wie Grabesſchauer, ſo weht’s durch der Wildniß umnachtete Mauer. Dahingeſtreckt am Waldesſaum in’s Leichenbett aus mooſigem Flaum, gemordet liegt der urälteſte Baum. — O, ſeht den Mörder über die Steppe fahren, er raſt in Ver- zweiflung mit fliegenden Haaren, verfolgt und ge- geißelt von rächenden Schaaren. — Den armen Mörder, o laßt ihn ziehen, ihm iſt’s gegeben, Un- heil zu ſprühen. Und neu aus dem Tode wird Leben blühen.
Nicht der alte Rüppel iſt es, der mich anſteckt, daß ich ſchon am frühen Morgen ſolche Zeilen ſchreibe, ſondern eine innere Bewegung, die mich bei der Kunde von dem Sturme erfaßt, hat ſich in Worten Luft gemacht.
In dieſer Nacht hat ein Sturm gehauſt. In Winkelſteg haben wir nichts verſpürt; nur ein
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0272"n="262"/><divn="2"><head><hirendition="#b">Die Antwort des Einſpanig.</hi></head><lb/><p><date><hirendition="#et">Am Morgen.</hi></date></p><lb/><p>Im Tannenwalde herrſcht tiefe Trauer; wie<lb/>
Todtenklage, wie Grabesſchauer, ſo weht’s durch<lb/>
der Wildniß umnachtete Mauer. Dahingeſtreckt am<lb/>
Waldesſaum in’s Leichenbett aus mooſigem Flaum,<lb/>
gemordet liegt der urälteſte Baum. — O, ſeht den<lb/>
Mörder über die Steppe fahren, er raſt in Ver-<lb/>
zweiflung mit fliegenden Haaren, verfolgt und ge-<lb/>
geißelt von rächenden Schaaren. — Den armen<lb/>
Mörder, o laßt ihn ziehen, ihm iſt’s gegeben, Un-<lb/>
heil zu ſprühen. Und neu aus dem Tode wird<lb/>
Leben blühen.</p><lb/><p>Nicht der alte Rüppel iſt es, der mich anſteckt,<lb/>
daß ich ſchon am frühen Morgen ſolche Zeilen<lb/>ſchreibe, ſondern eine innere Bewegung, die mich<lb/>
bei der Kunde von dem Sturme erfaßt, hat ſich in<lb/>
Worten Luft gemacht.</p><lb/><p>In dieſer Nacht hat ein Sturm gehauſt. In<lb/>
Winkelſteg haben wir nichts verſpürt; nur ein<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[262/0272]
Die Antwort des Einſpanig.
Am Morgen.
Im Tannenwalde herrſcht tiefe Trauer; wie
Todtenklage, wie Grabesſchauer, ſo weht’s durch
der Wildniß umnachtete Mauer. Dahingeſtreckt am
Waldesſaum in’s Leichenbett aus mooſigem Flaum,
gemordet liegt der urälteſte Baum. — O, ſeht den
Mörder über die Steppe fahren, er raſt in Ver-
zweiflung mit fliegenden Haaren, verfolgt und ge-
geißelt von rächenden Schaaren. — Den armen
Mörder, o laßt ihn ziehen, ihm iſt’s gegeben, Un-
heil zu ſprühen. Und neu aus dem Tode wird
Leben blühen.
Nicht der alte Rüppel iſt es, der mich anſteckt,
daß ich ſchon am frühen Morgen ſolche Zeilen
ſchreibe, ſondern eine innere Bewegung, die mich
bei der Kunde von dem Sturme erfaßt, hat ſich in
Worten Luft gemacht.
In dieſer Nacht hat ein Sturm gehauſt. In
Winkelſteg haben wir nichts verſpürt; nur ein
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/272>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.