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Roquette, Otto: Die Schlangenkönigin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 221–335. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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glänzt lachend zwischen dem Grün der Bäume hervor. Spielende Kindergruppen sitzen, eben so bunt gekleidet, auf den Wurzeln der Bäume, oder in den zwischen dem Schilf angebundenen Kähnen. Wer das Haus verlassen will, muß den Nachen besteigen. Wie der Gondolier in Venedig, steht hier der Einzelne aufrecht in seinem schmalen Gefährt und stößt es mit der Ruderstange fort.

Du siehst eine schlanke Mädchengestalt mit rothem Kopstuch über die Wiese kommen; sie scheint zu schweben, denn du bemerkst nicht die Bewegung ihrer Füße. Da wendet sich ihr Weg, und aus einem Kanal tritt sie im Kahne in das breitere Wasser herein und gleitet dir langsam entgegen -- ein reizendes Bild im grünen Waldesrahmen! Und neue Dörfer steigert zwischen Erlen und Eichen aus der beschatteten dunkeln Flut auf. Du siehst hoch hinauf geführte Brücken, zwar von der einfachsten Bauart, aber in ihrer Weise doch auch wieder an die mächtige Stadt der Kanäle erinnernd. Vier Stangen stehen in der Mitte und tragen ein paar Bretter, während zu beiden Seiten andere, statt der Stufen nur mit Latten benagelt, zum niedrigen Ufer sich hinab senken. Und während du noch nach dem Grunde dieser luftigen Form des Uebergangs fragst, kommt die Antwort dir schon entgegen geschwommen. Ein Kahn, hoch mit Heu beladen, nähert sich aus der Ferne und bewegt sich unbehindert unter dem leichten Gerüste fort. Es ist still, feierlich still in dem ganzen

glänzt lachend zwischen dem Grün der Bäume hervor. Spielende Kindergruppen sitzen, eben so bunt gekleidet, auf den Wurzeln der Bäume, oder in den zwischen dem Schilf angebundenen Kähnen. Wer das Haus verlassen will, muß den Nachen besteigen. Wie der Gondolier in Venedig, steht hier der Einzelne aufrecht in seinem schmalen Gefährt und stößt es mit der Ruderstange fort.

Du siehst eine schlanke Mädchengestalt mit rothem Kopstuch über die Wiese kommen; sie scheint zu schweben, denn du bemerkst nicht die Bewegung ihrer Füße. Da wendet sich ihr Weg, und aus einem Kanal tritt sie im Kahne in das breitere Wasser herein und gleitet dir langsam entgegen — ein reizendes Bild im grünen Waldesrahmen! Und neue Dörfer steigert zwischen Erlen und Eichen aus der beschatteten dunkeln Flut auf. Du siehst hoch hinauf geführte Brücken, zwar von der einfachsten Bauart, aber in ihrer Weise doch auch wieder an die mächtige Stadt der Kanäle erinnernd. Vier Stangen stehen in der Mitte und tragen ein paar Bretter, während zu beiden Seiten andere, statt der Stufen nur mit Latten benagelt, zum niedrigen Ufer sich hinab senken. Und während du noch nach dem Grunde dieser luftigen Form des Uebergangs fragst, kommt die Antwort dir schon entgegen geschwommen. Ein Kahn, hoch mit Heu beladen, nähert sich aus der Ferne und bewegt sich unbehindert unter dem leichten Gerüste fort. Es ist still, feierlich still in dem ganzen

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T10:15:33Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Roquette, Otto: Die Schlangenkönigin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 221–335. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roquette_schlangenkoenigin_1910/17>, abgerufen am 26.04.2024.