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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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Von der Conversation.
wenn sie mit ihm discouriren, so nahe auf den Hals
treten, daß sie ihm fast in das Gesichte geifern und
sprudeln, und den andern dadurch von sich und
zurück treiben, oder ihn auf eine pedantische Weise
die Knöpffe an dem Rock oder der Veste herum-
drehen.

Das III. Capitul.
Von Ablegung öffentlicher
Reden.

§. 1.

BEvor sich ein junger Mensch entschleußt, ei-
ne öffentliche Rede abzulegen, muß er sei-
ne Leibes und Gemüths-Kräffte genau
geprüfet haben, ob er auch Fähigkeit be-
sitze, mit Ehren vor einer öffentlichen Gesellschafft
als ein Redner zu erscheinen, damit es nicht hernach
von ihm heissen möchte: Si tacuisses, Philosophus
mansisses.
Er muß wissen, ob er auch Muth gnug
habe, vor dem Volck zu reden, ob er geschickt sey,
eine manierliche Rede selbst auszuarbeiten, oder
die fremde Arbeit wieder herzusagen, ob er sich auf
sein Gedächtniß verlassen könne, und wenn er aus
dem Concept gekommen, sich durch eine natürliche
Beredsamkeit wieder zu helffen wisse, ob seine Aus-
sprache so beschaffen, daß er sich darf öffentlich hö-
ren lassen, ob seine Minen und Geberden nichts un-

anstän-

Von der Converſation.
wenn ſie mit ihm diſcouriren, ſo nahe auf den Hals
treten, daß ſie ihm faſt in das Geſichte geifern und
ſprudeln, und den andern dadurch von ſich und
zuruͤck treiben, oder ihn auf eine pedantiſche Weiſe
die Knoͤpffe an dem Rock oder der Veſte herum-
drehen.

Das III. Capitul.
Von Ablegung oͤffentlicher
Reden.

§. 1.

BEvor ſich ein junger Menſch entſchleußt, ei-
ne oͤffentliche Rede abzulegen, muß er ſei-
ne Leibes und Gemuͤths-Kraͤffte genau
gepruͤfet haben, ob er auch Faͤhigkeit be-
ſitze, mit Ehren vor einer oͤffentlichen Geſellſchafft
als ein Redner zu erſcheinen, damit es nicht hernach
von ihm heiſſen moͤchte: Si tacuiſſes, Philoſophus
manſiſſes.
Er muß wiſſen, ob er auch Muth gnug
habe, vor dem Volck zu reden, ob er geſchickt ſey,
eine manierliche Rede ſelbſt auszuarbeiten, oder
die fremde Arbeit wieder herzuſagen, ob er ſich auf
ſein Gedaͤchtniß verlaſſen koͤnne, und wenn er aus
dem Concept gekommen, ſich durch eine natuͤrliche
Beredſamkeit wieder zu helffen wiſſe, ob ſeine Aus-
ſprache ſo beſchaffen, daß er ſich darf oͤffentlich hoͤ-
ren laſſen, ob ſeine Minen und Geberden nichts un-

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[301/0321] Von der Converſation. wenn ſie mit ihm diſcouriren, ſo nahe auf den Hals treten, daß ſie ihm faſt in das Geſichte geifern und ſprudeln, und den andern dadurch von ſich und zuruͤck treiben, oder ihn auf eine pedantiſche Weiſe die Knoͤpffe an dem Rock oder der Veſte herum- drehen. Das III. Capitul. Von Ablegung oͤffentlicher Reden. §. 1. BEvor ſich ein junger Menſch entſchleußt, ei- ne oͤffentliche Rede abzulegen, muß er ſei- ne Leibes und Gemuͤths-Kraͤffte genau gepruͤfet haben, ob er auch Faͤhigkeit be- ſitze, mit Ehren vor einer oͤffentlichen Geſellſchafft als ein Redner zu erſcheinen, damit es nicht hernach von ihm heiſſen moͤchte: Si tacuiſſes, Philoſophus manſiſſes. Er muß wiſſen, ob er auch Muth gnug habe, vor dem Volck zu reden, ob er geſchickt ſey, eine manierliche Rede ſelbſt auszuarbeiten, oder die fremde Arbeit wieder herzuſagen, ob er ſich auf ſein Gedaͤchtniß verlaſſen koͤnne, und wenn er aus dem Concept gekommen, ſich durch eine natuͤrliche Beredſamkeit wieder zu helffen wiſſe, ob ſeine Aus- ſprache ſo beſchaffen, daß er ſich darf oͤffentlich hoͤ- ren laſſen, ob ſeine Minen und Geberden nichts un- anſtaͤn-

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/321>, abgerufen am 21.11.2024.