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Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894.

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wird er seinen Irrthum gewahr; er bringt darauf den Leich-
nam des Odysseus, sowie die Penelope und den Telemachos
zu seiner Mutter Kirke. Diese macht sie unsterblich, und es
wohnt nun (auf der Insel Aeaea, fern im Meere, muss man
denken) Penelope als Gattin mit Telegonos, Kirke mit Tele-
machos zusammen 1).

6.

Ueberraschen kann, dass nirgends von Entrückung nach
einem allgemeinen Sammelpuncte der Entrückten, wie die
elysische Flur einer zu sein schien, berichtet wird. Man muss
eben darum dahingestellt sein lassen, wie weit gerade die Verse
der Odyssee, die von Menelaos' Entrückung in's Elysium er-
zählen, auf die Ausbildung der Entrückungssagen der nach-
homerischen Epen eingewirkt haben mögen. Wahrscheinlich
bleibt solche Einwirkung in hohem Maasse 2); und jedenfalls
ist dieselbe Richtung der Phantasie, welche das Elysium er-
schuf, auch in diesen Erzählungen von der Entrückung einzelner
Helden zu einsamem Weiterleben an verborgenen Wohnplätzen
der Unsterblichkeit thätig. Nicht mehr zu den Göttern erhebt
Eos den dem Hades entrissenen Sohn, wie doch einst den
Kleitos und andere Lieblinge: Memnon tritt in ein eigenes
Dasein ein, das ihn von den übrigen Menschen so gut wie
von den Göttern absondert; und ebenso Achill und die anderen
Entrückten. So bereichert die Dichtung die Zahl der Ange-
hörigen eines eigenen Zwischenreiches sterblich Geborener und
zur Unsterblichkeit, ausserhalb des olympischen Reiches, Er-

1) Was wird aus Odysseus? Proclus sagt es nicht, und wir können
es nicht errathen. Nach Hygin. fab. 127 wird er auf Aeaea begraben;
aber wenn weiter nichts mit seinem Leibe geschehen sollte, warum wird
er dann überhaupt nach Aeaea gebracht? Nach Schol. Lycophr. 805 wird
er durch Kirke zu neuem Leben erweckt. Aber was geschieht weiter
mit ihm?
2) Die Aethiopis ist jünger als die Hadesscene in Odyss. o, also
erst recht als die Nekyia in Od. l. Die Prophezeiung von der Ent-
rückung des Menelaos in d ist ebenfalls jünger als die Nekyia, aber aller
Wahrscheinlichkeit nach älter als die Aethiopis.

wird er seinen Irrthum gewahr; er bringt darauf den Leich-
nam des Odysseus, sowie die Penelope und den Telemachos
zu seiner Mutter Kirke. Diese macht sie unsterblich, und es
wohnt nun (auf der Insel Aeaea, fern im Meere, muss man
denken) Penelope als Gattin mit Telegonos, Kirke mit Tele-
machos zusammen 1).

6.

Ueberraschen kann, dass nirgends von Entrückung nach
einem allgemeinen Sammelpuncte der Entrückten, wie die
elysische Flur einer zu sein schien, berichtet wird. Man muss
eben darum dahingestellt sein lassen, wie weit gerade die Verse
der Odyssee, die von Menelaos’ Entrückung in’s Elysium er-
zählen, auf die Ausbildung der Entrückungssagen der nach-
homerischen Epen eingewirkt haben mögen. Wahrscheinlich
bleibt solche Einwirkung in hohem Maasse 2); und jedenfalls
ist dieselbe Richtung der Phantasie, welche das Elysium er-
schuf, auch in diesen Erzählungen von der Entrückung einzelner
Helden zu einsamem Weiterleben an verborgenen Wohnplätzen
der Unsterblichkeit thätig. Nicht mehr zu den Göttern erhebt
Eos den dem Hades entrissenen Sohn, wie doch einst den
Kleitos und andere Lieblinge: Memnon tritt in ein eigenes
Dasein ein, das ihn von den übrigen Menschen so gut wie
von den Göttern absondert; und ebenso Achill und die anderen
Entrückten. So bereichert die Dichtung die Zahl der Ange-
hörigen eines eigenen Zwischenreiches sterblich Geborener und
zur Unsterblichkeit, ausserhalb des olympischen Reiches, Er-

1) Was wird aus Odysseus? Proclus sagt es nicht, und wir können
es nicht errathen. Nach Hygin. fab. 127 wird er auf Aeaea begraben;
aber wenn weiter nichts mit seinem Leibe geschehen sollte, warum wird
er dann überhaupt nach Aeaea gebracht? Nach Schol. Lycophr. 805 wird
er durch Kirke zu neuem Leben erweckt. Aber was geschieht weiter
mit ihm?
2) Die Aethiopis ist jünger als die Hadesscene in Odyss. ω, also
erst recht als die Nekyia in Od. λ. Die Prophezeiung von der Ent-
rückung des Menelaos in δ ist ebenfalls jünger als die Nekyia, aber aller
Wahrscheinlichkeit nach älter als die Aethiopis.
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[82/0098] wird er seinen Irrthum gewahr; er bringt darauf den Leich- nam des Odysseus, sowie die Penelope und den Telemachos zu seiner Mutter Kirke. Diese macht sie unsterblich, und es wohnt nun (auf der Insel Aeaea, fern im Meere, muss man denken) Penelope als Gattin mit Telegonos, Kirke mit Tele- machos zusammen 1). 6. Ueberraschen kann, dass nirgends von Entrückung nach einem allgemeinen Sammelpuncte der Entrückten, wie die elysische Flur einer zu sein schien, berichtet wird. Man muss eben darum dahingestellt sein lassen, wie weit gerade die Verse der Odyssee, die von Menelaos’ Entrückung in’s Elysium er- zählen, auf die Ausbildung der Entrückungssagen der nach- homerischen Epen eingewirkt haben mögen. Wahrscheinlich bleibt solche Einwirkung in hohem Maasse 2); und jedenfalls ist dieselbe Richtung der Phantasie, welche das Elysium er- schuf, auch in diesen Erzählungen von der Entrückung einzelner Helden zu einsamem Weiterleben an verborgenen Wohnplätzen der Unsterblichkeit thätig. Nicht mehr zu den Göttern erhebt Eos den dem Hades entrissenen Sohn, wie doch einst den Kleitos und andere Lieblinge: Memnon tritt in ein eigenes Dasein ein, das ihn von den übrigen Menschen so gut wie von den Göttern absondert; und ebenso Achill und die anderen Entrückten. So bereichert die Dichtung die Zahl der Ange- hörigen eines eigenen Zwischenreiches sterblich Geborener und zur Unsterblichkeit, ausserhalb des olympischen Reiches, Er- 1) Was wird aus Odysseus? Proclus sagt es nicht, und wir können es nicht errathen. Nach Hygin. fab. 127 wird er auf Aeaea begraben; aber wenn weiter nichts mit seinem Leibe geschehen sollte, warum wird er dann überhaupt nach Aeaea gebracht? Nach Schol. Lycophr. 805 wird er durch Kirke zu neuem Leben erweckt. Aber was geschieht weiter mit ihm? 2) Die Aethiopis ist jünger als die Hadesscene in Odyss. ω, also erst recht als die Nekyia in Od. λ. Die Prophezeiung von der Ent- rückung des Menelaos in δ ist ebenfalls jünger als die Nekyia, aber aller Wahrscheinlichkeit nach älter als die Aethiopis.

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Zitationshilfe: Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohde_psyche_1894/98>, abgerufen am 21.11.2024.