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Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894.

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Plato.

Der Unsterblichkeitsgedanke, in theologischer oder in
philosophischer Fassung, war in jenen Zeiten kaum hie und
da einzeln in Laienkreise eingedrungen. Sokrates selbst, der
auf solche Fragen nach dem Unerforschlichen sich keiner an-
deren Antwort rühmen wollte, als die Mehrzahl seiner Mit-
bürger aus Urväterweisheit bereit hielt, weiss da, wo er bei
Plato sich in seiner unverstellten schlichten Tüchtigkeit geben
darf, in der "Apologie", wenig von einer Hoffnung auf ewiges
Leben der Seele zu sagen. Entweder, meint er, bringe der
Tod dem Menschen volle Bewusstlosigkeit, wie ein traum-
loser Schlaf, oder einen Uebergang der Seele in ein anderes
Leben, in dem Seelenreiche, das nach seinen Andeutungen mit
dem homerischen Hades weit mehr Aehnlichkeit zu haben
scheint als mit den schimmernden Phantasieländern der Theo-
logen und theologisirenden Dichter 1). Beide Möglichkeiten
nimmt er getrost hin, auf die Gerechtigkeit der waltenden
Götter bauend 2), und blickt nicht nach weiterem aus. Wie
sollte er sicher wissen, was Niemand weiss? 3)

Mit gleicher Gelassenheit mag die Mehrzahl auch der Ge-
bildeten (die damals aus der Menge sich auszusondern anfingen)
das Unbekannte haben dahingestellt sein lassen 4). Plato ver-

1) Plat. Apolog. cap. 32 ff.
2) Apol. 41 C/D.
3) Apol. 29 A/B; 37 B.
4) Xenophon, Cyrop. 8, 7, 17 ff. lässt den sterbenden Cyrus den
Glauben, dass die Seele den Leib überdauere, mehr aus Volksglauben
und Seelencult als aus halbphilosophischer Betrachtung (§ 20) rechtferti-
gen (vgl. oben p. 254, 1). Dann aber lässt er es dennoch ganz gelassen
unentschieden, ob denn nun die Seele den Leib verlasse und weiterlebe,
oder ob menousa e psukhe en to somati sunapothneskei (§ 22). In jedem
Plato.

Der Unsterblichkeitsgedanke, in theologischer oder in
philosophischer Fassung, war in jenen Zeiten kaum hie und
da einzeln in Laienkreise eingedrungen. Sokrates selbst, der
auf solche Fragen nach dem Unerforschlichen sich keiner an-
deren Antwort rühmen wollte, als die Mehrzahl seiner Mit-
bürger aus Urväterweisheit bereit hielt, weiss da, wo er bei
Plato sich in seiner unverstellten schlichten Tüchtigkeit geben
darf, in der „Apologie“, wenig von einer Hoffnung auf ewiges
Leben der Seele zu sagen. Entweder, meint er, bringe der
Tod dem Menschen volle Bewusstlosigkeit, wie ein traum-
loser Schlaf, oder einen Uebergang der Seele in ein anderes
Leben, in dem Seelenreiche, das nach seinen Andeutungen mit
dem homerischen Hades weit mehr Aehnlichkeit zu haben
scheint als mit den schimmernden Phantasieländern der Theo-
logen und theologisirenden Dichter 1). Beide Möglichkeiten
nimmt er getrost hin, auf die Gerechtigkeit der waltenden
Götter bauend 2), und blickt nicht nach weiterem aus. Wie
sollte er sicher wissen, was Niemand weiss? 3)

Mit gleicher Gelassenheit mag die Mehrzahl auch der Ge-
bildeten (die damals aus der Menge sich auszusondern anfingen)
das Unbekannte haben dahingestellt sein lassen 4). Plato ver-

1) Plat. Apolog. cap. 32 ff.
2) Apol. 41 C/D.
3) Apol. 29 A/B; 37 B.
4) Xenophon, Cyrop. 8, 7, 17 ff. lässt den sterbenden Cyrus den
Glauben, dass die Seele den Leib überdauere, mehr aus Volksglauben
und Seelencult als aus halbphilosophischer Betrachtung (§ 20) rechtferti-
gen (vgl. oben p. 254, 1). Dann aber lässt er es dennoch ganz gelassen
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[[555]/0571] Plato. Der Unsterblichkeitsgedanke, in theologischer oder in philosophischer Fassung, war in jenen Zeiten kaum hie und da einzeln in Laienkreise eingedrungen. Sokrates selbst, der auf solche Fragen nach dem Unerforschlichen sich keiner an- deren Antwort rühmen wollte, als die Mehrzahl seiner Mit- bürger aus Urväterweisheit bereit hielt, weiss da, wo er bei Plato sich in seiner unverstellten schlichten Tüchtigkeit geben darf, in der „Apologie“, wenig von einer Hoffnung auf ewiges Leben der Seele zu sagen. Entweder, meint er, bringe der Tod dem Menschen volle Bewusstlosigkeit, wie ein traum- loser Schlaf, oder einen Uebergang der Seele in ein anderes Leben, in dem Seelenreiche, das nach seinen Andeutungen mit dem homerischen Hades weit mehr Aehnlichkeit zu haben scheint als mit den schimmernden Phantasieländern der Theo- logen und theologisirenden Dichter 1). Beide Möglichkeiten nimmt er getrost hin, auf die Gerechtigkeit der waltenden Götter bauend 2), und blickt nicht nach weiterem aus. Wie sollte er sicher wissen, was Niemand weiss? 3) Mit gleicher Gelassenheit mag die Mehrzahl auch der Ge- bildeten (die damals aus der Menge sich auszusondern anfingen) das Unbekannte haben dahingestellt sein lassen 4). Plato ver- 1) Plat. Apolog. cap. 32 ff. 2) Apol. 41 C/D. 3) Apol. 29 A/B; 37 B. 4) Xenophon, Cyrop. 8, 7, 17 ff. lässt den sterbenden Cyrus den Glauben, dass die Seele den Leib überdauere, mehr aus Volksglauben und Seelencult als aus halbphilosophischer Betrachtung (§ 20) rechtferti- gen (vgl. oben p. 254, 1). Dann aber lässt er es dennoch ganz gelassen unentschieden, ob denn nun die Seele den Leib verlasse und weiterlebe, oder ob μένουσα ἡ ψυχὴ ἐν τῷ σώματι συναποϑνήσκει (§ 22). In jedem

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Zitationshilfe: Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894, S. [555]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohde_psyche_1894/571>, abgerufen am 22.12.2024.