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Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894.

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spricht aus ihr der Gott; wo sie "ich" sagt, da redet Apollo
von sich und dem was ihn betrifft 1). Was in ihr lebt, denkt
und redet, so lange sie rast, das ist der Gott selbst.

4.

Aus unerforschten Tiefen muss die Bewegung religiösen
Verlangens mit Macht hervorgebrochen sein, die mitten im
Herzen griechischer Religion in der ekstatischen Weissagung
der delphischen Seherin einen mystischen Keim einpflanzen
konnte. Die Einführung der Ekstase in den geordneten Be-

palin esoikizetai, ktl. Philo. Q. ver. div. her. 53 p. 511 M., von der entheos
katokhotike te mania, e to prophetikon genos khretai (p. 509 M.) redend. (Vgl.
de spec. leg. p. 343 M). Dies war auch die in Delphi vorwiegende Vor-
stellung. Was Plutarch def. orac. 9 als euethes verwirft, to oiesthai ton theon
auton, osper tous eggastrimuthous, enduomenon eis ta somata ton propheton
upophtheggesthai, tois ekeinon stomasi kai phonais khromenon organois -- das
eben war offenbar die eingewurzelte Meinung (ton theon eis soma katheirgnunai
thneton. Plut. Pyth. orac. 8). -- Ausfahren der Seele oder Einfahren des
Gottes werden selten streng unterschieden; beide Vorstellungen mischen
sich. Es ist eben ein Zustand gedacht, in dem zwei zu eins würden, der
Mensch oion allos genomenos kai ouk autos, theos genomenos, mallon de on
eine Scheidung zwischen sich und der Gottheit nicht mehr empfände,
metaxu gar ouden, oud eti duo all en ampho (wie die subtile Mystik des
Plotinus die ekstasis beschreibt, IX 9 ff.; XXXV 34 Kh.).
1) S. Bergk, Gr. Litt. 1, 335 A. 58. Die Orakelverse galten als
Verse des Gottes selbst: Plut. de Pyth. orac. 5 ff. -- Weil der Gott selbst
aus ihr redet, so kann die Pythia wahre Orakel eigentlich nur geben ouk
apodamou Apollonos tukhontos (Pindar. Pyth. 4, 5), wenn Apollo in Delphi
anwesend ist, nicht (im Winter) fern im Hyperboreerlande. Darum wur-
den ursprünglich nur im Frühlingsmonat Bysios, in den wahrscheinlich
die theophania (Herodot 1, 51) fielen, Orakel gespendet (Plut. Quaest.
gr. 9). Wie bei den an das Lokal gebundenen Erdorakelgeistern (s. oben
p. 113), so auch bei den durch enthousiasmos aus der inspirirten Pro-
phetin wirkenden Göttern ist, nach ältestem (später freilich leicht um-
gedeutetem und umgangenem) Glauben, körperliche Anwesenheit im
Orakelheiligthum während der Wahrsagung erforderlich, die bei diesen
nur eine zeitweilige sein kann. Wenn im Sommer Apollo auf Delos ist
(Virgil. Aen. 4, 143 ff.), findet im Apolloheiligthum zu Patara in Lykien
kein khresterion statt (Herodot. 1, 182). Und im allgemeinen phugonton
e metastanton (ton peri ta manteia kai khresteria tetagmenon daimonion)
apoballei ten dunamin (ta manteia). Plut. def. or. 15.

spricht aus ihr der Gott; wo sie „ich“ sagt, da redet Apollo
von sich und dem was ihn betrifft 1). Was in ihr lebt, denkt
und redet, so lange sie rast, das ist der Gott selbst.

4.

Aus unerforschten Tiefen muss die Bewegung religiösen
Verlangens mit Macht hervorgebrochen sein, die mitten im
Herzen griechischer Religion in der ekstatischen Weissagung
der delphischen Seherin einen mystischen Keim einpflanzen
konnte. Die Einführung der Ekstase in den geordneten Be-

πάλιν ἐσοικίζεται, κτλ. Philo. Q. ver. div. her. 53 p. 511 M., von der ἔνϑεος
κατοχωτική τε μανία, ᾗ τὸ προφητικὸν γένος χρῆται (p. 509 M.) redend. (Vgl.
de spec. leg. p. 343 M). Dies war auch die in Delphi vorwiegende Vor-
stellung. Was Plutarch def. orac. 9 als εὔηϑες verwirft, τὸ οἴεσϑαι τὸν ϑεὸν
αὐτόν, ὥσπερ τοὺς ἐγγαστριμύϑους, ἐνδυόμενον εἰς τὰ σώματα τῶν προφητῶν
ὑποφϑέγγεσϑαι, τοῖς ἐκείνων στόμασι καὶ φωναῖς χρώμενον ὀργάνοις — das
eben war offenbar die eingewurzelte Meinung (τὸν ϑεὸν εἰς σῶμα καϑειργνύναι
ϑνητόν. Plut. Pyth. orac. 8). — Ausfahren der Seele oder Einfahren des
Gottes werden selten streng unterschieden; beide Vorstellungen mischen
sich. Es ist eben ein Zustand gedacht, in dem zwei zu eins würden, der
Mensch οἷον ἄλλος γενόμενος καὶ οὐκ αὐτός, ϑεὸς γενόμενος, μᾶλλον δὲ ὢν
eine Scheidung zwischen sich und der Gottheit nicht mehr empfände,
μεταξὺ γὰρ οὐδέν, οὐδ̛ ἔτι δύο ἀλλ̛ ἓν ἄμφω (wie die subtile Mystik des
Plotinus die ἔκστασις beschreibt, IX 9 ff.; XXXV 34 Kh.).
1) S. Bergk, Gr. Litt. 1, 335 A. 58. Die Orakelverse galten als
Verse des Gottes selbst: Plut. de Pyth. orac. 5 ff. — Weil der Gott selbst
aus ihr redet, so kann die Pythia wahre Orakel eigentlich nur geben οὐκ
ἀποδάμου Ἀπόλλωνος τυχόντος (Pindar. Pyth. 4, 5), wenn Apollo in Delphi
anwesend ist, nicht (im Winter) fern im Hyperboreerlande. Darum wur-
den ursprünglich nur im Frühlingsmonat Bysios, in den wahrscheinlich
die ϑεοφάνια (Herodot 1, 51) fielen, Orakel gespendet (Plut. Quaest.
gr. 9). Wie bei den an das Lokal gebundenen Erdorakelgeistern (s. oben
p. 113), so auch bei den durch ἐνϑουσιασμός aus der inspirirten Pro-
phetin wirkenden Göttern ist, nach ältestem (später freilich leicht um-
gedeutetem und umgangenem) Glauben, körperliche Anwesenheit im
Orakelheiligthum während der Wahrsagung erforderlich, die bei diesen
nur eine zeitweilige sein kann. Wenn im Sommer Apollo auf Delos ist
(Virgil. Aen. 4, 143 ff.), findet im Apolloheiligthum zu Patara in Lykien
kein χρηστήριον statt (Herodot. 1, 182). Und im allgemeinen φυγόντων
ἢ μεταστάντων (τῶν περὶ τὰ μαντεῖα καὶ χρηστήρια τεταγμένων δαιμονίων)
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[349/0365] spricht aus ihr der Gott; wo sie „ich“ sagt, da redet Apollo von sich und dem was ihn betrifft 1). Was in ihr lebt, denkt und redet, so lange sie rast, das ist der Gott selbst. 4. Aus unerforschten Tiefen muss die Bewegung religiösen Verlangens mit Macht hervorgebrochen sein, die mitten im Herzen griechischer Religion in der ekstatischen Weissagung der delphischen Seherin einen mystischen Keim einpflanzen konnte. Die Einführung der Ekstase in den geordneten Be- 3) 1) S. Bergk, Gr. Litt. 1, 335 A. 58. Die Orakelverse galten als Verse des Gottes selbst: Plut. de Pyth. orac. 5 ff. — Weil der Gott selbst aus ihr redet, so kann die Pythia wahre Orakel eigentlich nur geben οὐκ ἀποδάμου Ἀπόλλωνος τυχόντος (Pindar. Pyth. 4, 5), wenn Apollo in Delphi anwesend ist, nicht (im Winter) fern im Hyperboreerlande. Darum wur- den ursprünglich nur im Frühlingsmonat Bysios, in den wahrscheinlich die ϑεοφάνια (Herodot 1, 51) fielen, Orakel gespendet (Plut. Quaest. gr. 9). Wie bei den an das Lokal gebundenen Erdorakelgeistern (s. oben p. 113), so auch bei den durch ἐνϑουσιασμός aus der inspirirten Pro- phetin wirkenden Göttern ist, nach ältestem (später freilich leicht um- gedeutetem und umgangenem) Glauben, körperliche Anwesenheit im Orakelheiligthum während der Wahrsagung erforderlich, die bei diesen nur eine zeitweilige sein kann. Wenn im Sommer Apollo auf Delos ist (Virgil. Aen. 4, 143 ff.), findet im Apolloheiligthum zu Patara in Lykien kein χρηστήριον statt (Herodot. 1, 182). Und im allgemeinen φυγόντων ἢ μεταστάντων (τῶν περὶ τὰ μαντεῖα καὶ χρηστήρια τεταγμένων δαιμονίων) ἀποβάλλει τὴν δύναμιν (τὰ μαντεῖα). Plut. def. or. 15. 3) πάλιν ἐσοικίζεται, κτλ. Philo. Q. ver. div. her. 53 p. 511 M., von der ἔνϑεος κατοχωτική τε μανία, ᾗ τὸ προφητικὸν γένος χρῆται (p. 509 M.) redend. (Vgl. de spec. leg. p. 343 M). Dies war auch die in Delphi vorwiegende Vor- stellung. Was Plutarch def. orac. 9 als εὔηϑες verwirft, τὸ οἴεσϑαι τὸν ϑεὸν αὐτόν, ὥσπερ τοὺς ἐγγαστριμύϑους, ἐνδυόμενον εἰς τὰ σώματα τῶν προφητῶν ὑποφϑέγγεσϑαι, τοῖς ἐκείνων στόμασι καὶ φωναῖς χρώμενον ὀργάνοις — das eben war offenbar die eingewurzelte Meinung (τὸν ϑεὸν εἰς σῶμα καϑειργνύναι ϑνητόν. Plut. Pyth. orac. 8). — Ausfahren der Seele oder Einfahren des Gottes werden selten streng unterschieden; beide Vorstellungen mischen sich. Es ist eben ein Zustand gedacht, in dem zwei zu eins würden, der Mensch οἷον ἄλλος γενόμενος καὶ οὐκ αὐτός, ϑεὸς γενόμενος, μᾶλλον δὲ ὢν eine Scheidung zwischen sich und der Gottheit nicht mehr empfände, μεταξὺ γὰρ οὐδέν, οὐδ̛ ἔτι δύο ἀλλ̛ ἓν ἄμφω (wie die subtile Mystik des Plotinus die ἔκστασις beschreibt, IX 9 ff.; XXXV 34 Kh.).

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Zitationshilfe: Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894, S. 349. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohde_psyche_1894/365>, abgerufen am 21.11.2024.