Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876.

Bild:
<< vorherige Seite
5. Die Czartoryski als Hofparthei. Erste Ver-
suche der Reform. 1736--1750.

Damals, als sich die Brüder König August III. unter-
warfen, hatten beide eben erst die Jahre männlicher Reife er-
reicht. Sie hatten es jetzt mit einem Könige ganz anderer
Art, als der Vater gewesen, zu thun. Man mag über
August II. urtheilen, wie man will; immer wird man ein-
räumen müssen, daß er ein Mann von ganz seltener Lebens-
fülle war, rüstig und regsam, stets von weit aussehenden großen,
freilich oft luftigen Ideen, Plänen und Unternehmungen erfüllt.
Von all dem war der Sohn das Gegentheil. Körperlich frei-
lich war auch er eine stattlich majestätische Erscheinung, aber
von lebendigem Geist trug er keine Ader in sich. Mit der
größten Vorstellung von seiner königlichen Würde, war in ihm
die größte Unfähigkeit zu regieren verbunden. Geistig in höchstem
Maße träge, war er in jeder Beziehung und in jedem Ver-
hältniß indolent. Aus geistiger Trägheit war er ohne Liebe
seiner Frau, die ihm zahlreiche Kinder gebar, ein treuer und
gehorsamer Mann; ohne alles innere religiöse Leben seinem
Beichtvater in allem gehorsam; ohne eigentliches Wohlwollen
gegen seine Diener und Unterthanen ein milder Herr. Aus
dieser stumpfen Trägheit erweckten selbst die wichtigsten Ge-
schäfte ihn nicht. In der Konferenz, welche Friedrich der Große

5. Die Czartoryski als Hofparthei. Erſte Ver-
ſuche der Reform. 1736—1750.

Damals, als ſich die Brüder König Auguſt III. unter-
warfen, hatten beide eben erſt die Jahre männlicher Reife er-
reicht. Sie hatten es jetzt mit einem Könige ganz anderer
Art, als der Vater geweſen, zu thun. Man mag über
Auguſt II. urtheilen, wie man will; immer wird man ein-
räumen müſſen, daß er ein Mann von ganz ſeltener Lebens-
fülle war, rüſtig und regſam, ſtets von weit ausſehenden großen,
freilich oft luftigen Ideen, Plänen und Unternehmungen erfüllt.
Von all dem war der Sohn das Gegentheil. Körperlich frei-
lich war auch er eine ſtattlich majeſtätiſche Erſcheinung, aber
von lebendigem Geiſt trug er keine Ader in ſich. Mit der
größten Vorſtellung von ſeiner königlichen Würde, war in ihm
die größte Unfähigkeit zu regieren verbunden. Geiſtig in höchſtem
Maße träge, war er in jeder Beziehung und in jedem Ver-
hältniß indolent. Aus geiſtiger Trägheit war er ohne Liebe
ſeiner Frau, die ihm zahlreiche Kinder gebar, ein treuer und
gehorſamer Mann; ohne alles innere religiöſe Leben ſeinem
Beichtvater in allem gehorſam; ohne eigentliches Wohlwollen
gegen ſeine Diener und Unterthanen ein milder Herr. Aus
dieſer ſtumpfen Trägheit erweckten ſelbſt die wichtigſten Ge-
ſchäfte ihn nicht. In der Konferenz, welche Friedrich der Große

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0070" n="[56]"/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">5. Die Czartoryski als Hofparthei. Er&#x017F;te Ver-<lb/>
&#x017F;uche der Reform. 1736&#x2014;1750.</hi> </head><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <p>Damals, als &#x017F;ich die Brüder König Augu&#x017F;t <hi rendition="#aq">III.</hi> unter-<lb/>
warfen, hatten beide eben er&#x017F;t die Jahre männlicher Reife er-<lb/>
reicht. Sie hatten es jetzt mit einem Könige ganz anderer<lb/>
Art, als der Vater gewe&#x017F;en, zu thun. Man mag über<lb/>
Augu&#x017F;t <hi rendition="#aq">II.</hi> urtheilen, wie man will; immer wird man ein-<lb/>
räumen mü&#x017F;&#x017F;en, daß er ein Mann von ganz &#x017F;eltener Lebens-<lb/>
fülle war, rü&#x017F;tig und reg&#x017F;am, &#x017F;tets von weit aus&#x017F;ehenden großen,<lb/>
freilich oft luftigen Ideen, Plänen und Unternehmungen erfüllt.<lb/>
Von all dem war der Sohn das Gegentheil. Körperlich frei-<lb/>
lich war auch er eine &#x017F;tattlich maje&#x017F;täti&#x017F;che Er&#x017F;cheinung, aber<lb/>
von lebendigem Gei&#x017F;t trug er keine Ader in &#x017F;ich. Mit der<lb/>
größten Vor&#x017F;tellung von &#x017F;einer königlichen Würde, war in ihm<lb/>
die größte Unfähigkeit zu regieren verbunden. Gei&#x017F;tig in höch&#x017F;tem<lb/>
Maße träge, war er in jeder Beziehung und in jedem Ver-<lb/>
hältniß indolent. Aus gei&#x017F;tiger Trägheit war er ohne Liebe<lb/>
&#x017F;einer Frau, die ihm zahlreiche Kinder gebar, ein treuer und<lb/>
gehor&#x017F;amer Mann; ohne alles innere religiö&#x017F;e Leben &#x017F;einem<lb/>
Beichtvater in allem gehor&#x017F;am; ohne eigentliches Wohlwollen<lb/>
gegen &#x017F;eine Diener und Unterthanen ein milder Herr. Aus<lb/>
die&#x017F;er &#x017F;tumpfen Trägheit erweckten &#x017F;elb&#x017F;t die wichtig&#x017F;ten Ge-<lb/>
&#x017F;chäfte ihn nicht. In der Konferenz, welche Friedrich der Große<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[56]/0070] 5. Die Czartoryski als Hofparthei. Erſte Ver- ſuche der Reform. 1736—1750. Damals, als ſich die Brüder König Auguſt III. unter- warfen, hatten beide eben erſt die Jahre männlicher Reife er- reicht. Sie hatten es jetzt mit einem Könige ganz anderer Art, als der Vater geweſen, zu thun. Man mag über Auguſt II. urtheilen, wie man will; immer wird man ein- räumen müſſen, daß er ein Mann von ganz ſeltener Lebens- fülle war, rüſtig und regſam, ſtets von weit ausſehenden großen, freilich oft luftigen Ideen, Plänen und Unternehmungen erfüllt. Von all dem war der Sohn das Gegentheil. Körperlich frei- lich war auch er eine ſtattlich majeſtätiſche Erſcheinung, aber von lebendigem Geiſt trug er keine Ader in ſich. Mit der größten Vorſtellung von ſeiner königlichen Würde, war in ihm die größte Unfähigkeit zu regieren verbunden. Geiſtig in höchſtem Maße träge, war er in jeder Beziehung und in jedem Ver- hältniß indolent. Aus geiſtiger Trägheit war er ohne Liebe ſeiner Frau, die ihm zahlreiche Kinder gebar, ein treuer und gehorſamer Mann; ohne alles innere religiöſe Leben ſeinem Beichtvater in allem gehorſam; ohne eigentliches Wohlwollen gegen ſeine Diener und Unterthanen ein milder Herr. Aus dieſer ſtumpfen Trägheit erweckten ſelbſt die wichtigſten Ge- ſchäfte ihn nicht. In der Konferenz, welche Friedrich der Große

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/roepell_polen_1876
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/roepell_polen_1876/70
Zitationshilfe: Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876, S. [56]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roepell_polen_1876/70>, abgerufen am 21.11.2024.