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Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 9. Berlin, Wien, 1921.

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Seehafentarife (sea port rates; tarifs speciaux d'exportation et d'importation par mer; tariffe speciale d'esportazione e d'importazione per mare) sind differentiell gebildete Tarife, die den Zweck verfolgen, den Güterverkehr über bestimmte Seehäfen zu fördern. Sie sind ein sehr geeignetes Mittel zur Erzielung wirtschaftspolitischer Wirkungen und bilden daher einen wichtigen Faktor der protektionistischen Eisenbahntarifpolitik. Die wirtschaftlichen Ziele sind im wesentlichen zweifacher Art. Vor allem soll durch diese Tarife die Ausfuhr inländischer Güter und die Einfuhr namentlich von Rohstoffen erleichtert werden, deren die inländische Wirtschaft bedarf. Durch eine entsprechende Herabminderung der Bahnfrachten im Verkehr zwischen den Seehäfen und den im Binnenland gelegenen Erzeugungs- und Verbrauchsorten sollen dem in Betracht kommenden Güterversand und Güterbezug dieser Orte die Vorteile des billigen Seewegs möglichst ungeschmälert zugänglich gemacht werden. Da durch die S. die im Binnenland gelegenen Erzeugungs- und Verbrauchsorte den Seehäfen gleichsam örtlich nähergerückt werden sollen, werden bei der differentiellen Bildung dieser Tarife insbesondere die Transporte auf große Entfernungen eine vorzugsweise Behandlung zu erfahren haben. Außer der Unterstützung der heimischen Aus- und Einfuhr verfolgen die S. auch das weitere Ziel, den Güterumschlag und den Handel in den eigenen Häfen im Interesse der Hebung des Volkswohlstandes zu fördern. Von diesem Gesichtspunkt ausgehend wird bei der Erstellung von S. auf die Heranziehung von Verkehren zwischen ausländischen Wirtschaftsgebieten über die eigenen Seehäfen und auf die Bekämpfung des Wettbewerbs der über fremde Seehäfen führenden Verkehrswege Bedacht zu nehmen sein. Derartige Wettbewerbsbestrebungen können dazu führen, daß bezüglich des Verkehrs mit den eigenen Seehäfen die Frachtsätze für größere Entfernungen sogar absolut niedriger gehalten werden als jene für geringere Entfernungen. Die Hebung des Verkehrs der eigenen Seehäfen kommt mittelbar auch wieder der eigenen Aus- und Einfuhr zu gute, da sich dieser infolge der Belebung der Seeschiffahrt im eigenen Hafen vermehrte Verschiffungsgelegenheiten bieten. Wenn es auch klar ist, daß die Aufnahme des Wettbewerbs zwischen den Seehäfen verschiedener Staaten zu großen finanziellen Einbußen der beteiligten Eisenbahnen führen muß, so stellen sich doch den Bestrebungen, einen solchen Wettbewerb durch strikte Vereinbarungen auszuschließen, bei der Wichtigkeit und Mannigfaltigkeit der in Frage kommenden Interessen große Schwierigkeiten entgegen. Ein Versuch in dieser Richtung wurde im Jahre 1874 unternommen; durch die Schaffung einer als "Seehafenvereinigung" bezeichneten Organisation und durch die Festsetzung eines bestimmten Spannungsverhältnisses zwischen den Frachtsätzen für die einzelnen deutschen, belgischen und niederländischen Häfen sollte damals der durch das Nebeneinanderbestehen von Staatsbahnen und großen Privatbahnen geförderte schrankenlose Wettbewerb der Bahnen bezüglich des Verkehrs der Nord- und Ostseehäfen mit Österreich-Ungarn geregelt werden. Nach verschiedenen Wandlungen kam es schließlich zu der "Konvention betreffend die Regelung der Verkehrsbeziehungen zwischen den Nord- und Ostseehäfen einerseits, Wien, Prag und Budapest anderseits", die mit 1. August 1882 in Kraft trat. Bereits im Jahre 1884 wurden abermalige Verhandlungen zwecks Abänderung dieser Konvention eingeleitet, die jedoch ergebnislos verliefen, worauf die Seehafenvereinigung ohne ausdrückliche Kündigung und ohne förmliche Auflösung im allseitigen stillschweigenden Einverständnis ihre Tätigkeit einstellte. Die vereinbarten Tarifbildungsgrundsätze wurden jedoch in den einzelnen Spezialverbänden, so u. a. im deutsch-österreichisch-ungarischen Seehafenverband, im niederländisch-österreichisch-ungarischen sowie im belgisch-österreichisch-ungarischen Eisenbahn verband als "usuelle Tarifbildung" mit gewissen, im Jahre 1911 beschlossenen Änderungen im wesentlichen bis heute beibehalten. Neben den erörterten beiden Hauptzielen kann mit den S. auch noch das weitere Ziel der Förderung der heimischen Seeschiffahrt verfolgt werden. Für diesen Fall werden die S. an die Bedingung geknüpft, daß die an den Bahntransport nach oder von den heimischen Seehäfen anschließende Beförderung der Güter zur See mit Schiffen bestimmter heimischer Seeschiffahrtsunternehmungen zu erfolgen habe. S. finden sich in den Tarifen der Eisenbahnen aller am Weltverkehr beteiligten Länder. Ihr Aufbau ist im Hinblick auf die Vielfältigkeit der zu berücksichtigenden Verhältnisse ein ganz verschiedener und meist sehr umständlicher.

S.

Seehafentarife (sea port rates; tarifs speciaux d'exportation et d'importation par mer; tariffe speciale d'esportazione e d'importazione per mare) sind differentiell gebildete Tarife, die den Zweck verfolgen, den Güterverkehr über bestimmte Seehäfen zu fördern. Sie sind ein sehr geeignetes Mittel zur Erzielung wirtschaftspolitischer Wirkungen und bilden daher einen wichtigen Faktor der protektionistischen Eisenbahntarifpolitik. Die wirtschaftlichen Ziele sind im wesentlichen zweifacher Art. Vor allem soll durch diese Tarife die Ausfuhr inländischer Güter und die Einfuhr namentlich von Rohstoffen erleichtert werden, deren die inländische Wirtschaft bedarf. Durch eine entsprechende Herabminderung der Bahnfrachten im Verkehr zwischen den Seehäfen und den im Binnenland gelegenen Erzeugungs- und Verbrauchsorten sollen dem in Betracht kommenden Güterversand und Güterbezug dieser Orte die Vorteile des billigen Seewegs möglichst ungeschmälert zugänglich gemacht werden. Da durch die S. die im Binnenland gelegenen Erzeugungs- und Verbrauchsorte den Seehäfen gleichsam örtlich nähergerückt werden sollen, werden bei der differentiellen Bildung dieser Tarife insbesondere die Transporte auf große Entfernungen eine vorzugsweise Behandlung zu erfahren haben. Außer der Unterstützung der heimischen Aus- und Einfuhr verfolgen die S. auch das weitere Ziel, den Güterumschlag und den Handel in den eigenen Häfen im Interesse der Hebung des Volkswohlstandes zu fördern. Von diesem Gesichtspunkt ausgehend wird bei der Erstellung von S. auf die Heranziehung von Verkehren zwischen ausländischen Wirtschaftsgebieten über die eigenen Seehäfen und auf die Bekämpfung des Wettbewerbs der über fremde Seehäfen führenden Verkehrswege Bedacht zu nehmen sein. Derartige Wettbewerbsbestrebungen können dazu führen, daß bezüglich des Verkehrs mit den eigenen Seehäfen die Frachtsätze für größere Entfernungen sogar absolut niedriger gehalten werden als jene für geringere Entfernungen. Die Hebung des Verkehrs der eigenen Seehäfen kommt mittelbar auch wieder der eigenen Aus- und Einfuhr zu gute, da sich dieser infolge der Belebung der Seeschiffahrt im eigenen Hafen vermehrte Verschiffungsgelegenheiten bieten. Wenn es auch klar ist, daß die Aufnahme des Wettbewerbs zwischen den Seehäfen verschiedener Staaten zu großen finanziellen Einbußen der beteiligten Eisenbahnen führen muß, so stellen sich doch den Bestrebungen, einen solchen Wettbewerb durch strikte Vereinbarungen auszuschließen, bei der Wichtigkeit und Mannigfaltigkeit der in Frage kommenden Interessen große Schwierigkeiten entgegen. Ein Versuch in dieser Richtung wurde im Jahre 1874 unternommen; durch die Schaffung einer als „Seehafenvereinigung“ bezeichneten Organisation und durch die Festsetzung eines bestimmten Spannungsverhältnisses zwischen den Frachtsätzen für die einzelnen deutschen, belgischen und niederländischen Häfen sollte damals der durch das Nebeneinanderbestehen von Staatsbahnen und großen Privatbahnen geförderte schrankenlose Wettbewerb der Bahnen bezüglich des Verkehrs der Nord- und Ostseehäfen mit Österreich-Ungarn geregelt werden. Nach verschiedenen Wandlungen kam es schließlich zu der „Konvention betreffend die Regelung der Verkehrsbeziehungen zwischen den Nord- und Ostseehäfen einerseits, Wien, Prag und Budapest anderseits“, die mit 1. August 1882 in Kraft trat. Bereits im Jahre 1884 wurden abermalige Verhandlungen zwecks Abänderung dieser Konvention eingeleitet, die jedoch ergebnislos verliefen, worauf die Seehafenvereinigung ohne ausdrückliche Kündigung und ohne förmliche Auflösung im allseitigen stillschweigenden Einverständnis ihre Tätigkeit einstellte. Die vereinbarten Tarifbildungsgrundsätze wurden jedoch in den einzelnen Spezialverbänden, so u. a. im deutsch-österreichisch-ungarischen Seehafenverband, im niederländisch-österreichisch-ungarischen sowie im belgisch-österreichisch-ungarischen Eisenbahn verband als „usuelle Tarifbildung“ mit gewissen, im Jahre 1911 beschlossenen Änderungen im wesentlichen bis heute beibehalten. Neben den erörterten beiden Hauptzielen kann mit den S. auch noch das weitere Ziel der Förderung der heimischen Seeschiffahrt verfolgt werden. Für diesen Fall werden die S. an die Bedingung geknüpft, daß die an den Bahntransport nach oder von den heimischen Seehäfen anschließende Beförderung der Güter zur See mit Schiffen bestimmter heimischer Seeschiffahrtsunternehmungen zu erfolgen habe. S. finden sich in den Tarifen der Eisenbahnen aller am Weltverkehr beteiligten Länder. Ihr Aufbau ist im Hinblick auf die Vielfältigkeit der zu berücksichtigenden Verhältnisse ein ganz verschiedener und meist sehr umständlicher.

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[[1]/0004] S. Seehafentarife (sea port rates; tarifs speciaux d'exportation et d'importation par mer; tariffe speciale d'esportazione e d'importazione per mare) sind differentiell gebildete Tarife, die den Zweck verfolgen, den Güterverkehr über bestimmte Seehäfen zu fördern. Sie sind ein sehr geeignetes Mittel zur Erzielung wirtschaftspolitischer Wirkungen und bilden daher einen wichtigen Faktor der protektionistischen Eisenbahntarifpolitik. Die wirtschaftlichen Ziele sind im wesentlichen zweifacher Art. Vor allem soll durch diese Tarife die Ausfuhr inländischer Güter und die Einfuhr namentlich von Rohstoffen erleichtert werden, deren die inländische Wirtschaft bedarf. Durch eine entsprechende Herabminderung der Bahnfrachten im Verkehr zwischen den Seehäfen und den im Binnenland gelegenen Erzeugungs- und Verbrauchsorten sollen dem in Betracht kommenden Güterversand und Güterbezug dieser Orte die Vorteile des billigen Seewegs möglichst ungeschmälert zugänglich gemacht werden. Da durch die S. die im Binnenland gelegenen Erzeugungs- und Verbrauchsorte den Seehäfen gleichsam örtlich nähergerückt werden sollen, werden bei der differentiellen Bildung dieser Tarife insbesondere die Transporte auf große Entfernungen eine vorzugsweise Behandlung zu erfahren haben. Außer der Unterstützung der heimischen Aus- und Einfuhr verfolgen die S. auch das weitere Ziel, den Güterumschlag und den Handel in den eigenen Häfen im Interesse der Hebung des Volkswohlstandes zu fördern. Von diesem Gesichtspunkt ausgehend wird bei der Erstellung von S. auf die Heranziehung von Verkehren zwischen ausländischen Wirtschaftsgebieten über die eigenen Seehäfen und auf die Bekämpfung des Wettbewerbs der über fremde Seehäfen führenden Verkehrswege Bedacht zu nehmen sein. Derartige Wettbewerbsbestrebungen können dazu führen, daß bezüglich des Verkehrs mit den eigenen Seehäfen die Frachtsätze für größere Entfernungen sogar absolut niedriger gehalten werden als jene für geringere Entfernungen. Die Hebung des Verkehrs der eigenen Seehäfen kommt mittelbar auch wieder der eigenen Aus- und Einfuhr zu gute, da sich dieser infolge der Belebung der Seeschiffahrt im eigenen Hafen vermehrte Verschiffungsgelegenheiten bieten. Wenn es auch klar ist, daß die Aufnahme des Wettbewerbs zwischen den Seehäfen verschiedener Staaten zu großen finanziellen Einbußen der beteiligten Eisenbahnen führen muß, so stellen sich doch den Bestrebungen, einen solchen Wettbewerb durch strikte Vereinbarungen auszuschließen, bei der Wichtigkeit und Mannigfaltigkeit der in Frage kommenden Interessen große Schwierigkeiten entgegen. Ein Versuch in dieser Richtung wurde im Jahre 1874 unternommen; durch die Schaffung einer als „Seehafenvereinigung“ bezeichneten Organisation und durch die Festsetzung eines bestimmten Spannungsverhältnisses zwischen den Frachtsätzen für die einzelnen deutschen, belgischen und niederländischen Häfen sollte damals der durch das Nebeneinanderbestehen von Staatsbahnen und großen Privatbahnen geförderte schrankenlose Wettbewerb der Bahnen bezüglich des Verkehrs der Nord- und Ostseehäfen mit Österreich-Ungarn geregelt werden. Nach verschiedenen Wandlungen kam es schließlich zu der „Konvention betreffend die Regelung der Verkehrsbeziehungen zwischen den Nord- und Ostseehäfen einerseits, Wien, Prag und Budapest anderseits“, die mit 1. August 1882 in Kraft trat. Bereits im Jahre 1884 wurden abermalige Verhandlungen zwecks Abänderung dieser Konvention eingeleitet, die jedoch ergebnislos verliefen, worauf die Seehafenvereinigung ohne ausdrückliche Kündigung und ohne förmliche Auflösung im allseitigen stillschweigenden Einverständnis ihre Tätigkeit einstellte. Die vereinbarten Tarifbildungsgrundsätze wurden jedoch in den einzelnen Spezialverbänden, so u. a. im deutsch-österreichisch-ungarischen Seehafenverband, im niederländisch-österreichisch-ungarischen sowie im belgisch-österreichisch-ungarischen Eisenbahn verband als „usuelle Tarifbildung“ mit gewissen, im Jahre 1911 beschlossenen Änderungen im wesentlichen bis heute beibehalten. Neben den erörterten beiden Hauptzielen kann mit den S. auch noch das weitere Ziel der Förderung der heimischen Seeschiffahrt verfolgt werden. Für diesen Fall werden die S. an die Bedingung geknüpft, daß die an den Bahntransport nach oder von den heimischen Seehäfen anschließende Beförderung der Güter zur See mit Schiffen bestimmter heimischer Seeschiffahrtsunternehmungen zu erfolgen habe. S. finden sich in den Tarifen der Eisenbahnen aller am Weltverkehr beteiligten Länder. Ihr Aufbau ist im Hinblick auf die Vielfältigkeit der zu berücksichtigenden Verhältnisse ein ganz verschiedener und meist sehr umständlicher.

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Zitationshilfe: Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 9. Berlin, Wien, 1921, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roell_eisenbahnwesen09_1921/4>, abgerufen am 21.11.2024.