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Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, Wien, 1912.

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die Auswanderung aus Europa ganz besonders eingeschränkt hat. Sie erlitt im Jahre 1908 einen Ausfall von nicht weniger als 963.881 Personen, da nur 402.000 Auswanderer gegen 1,364.865 im Jahre 1907 nach den Vereinigten Staaten befördert wurden. Fast im gleichen Verhältnis ging aber auch die Auswanderung aus der Monarchie zurück, jedoch hebt sie sich nach Aufhören der Krise nicht nur neuerdings, sondern hat ihren früheren Durchschnitt bereits wieder erreicht.

Die wichtigsten inländischen Routen für die Auswanderer sind die über Oderberg und Tetschen im Anschluß an die deutschen Auswandererkontrollstationen Ratibor und Leipzig. Die Auswanderung aus den stärksten Auswanderungsprovinzen des Nordens der Monarchie, Galizien und der Bukowina, benutzt zumeist erstere Route, doch wird von ihr bei Einschiffung in Rotterdam, Havre oder Antwerpen auch die Route über Buchs in Benutzung genommen. Auch der Süden, Dalmatien, das Küstenland und Krain, zieht letztere Route, soferne seine Auswanderer wegen Einschiffung in Hamburg oder Bremen nicht über Leipzig gehen müssen, vor. Die Auswanderer Ungarns fahren meist über Oderberg, wo seitens der österr. Staatsbahnverwaltung eine freistehende Wartehalle mit einem Fassungsraum für 450 bis 500 Personen, nebst Dienstraum für den Arzt, Fahrkartenausgabe, Büffet, Geldwechsel, den nötigen Räumen für die Zollabfertigung u. s. w. erbaut wurde; die Auswanderer aus Kroatien und Slawonien halten sich jedoch fast ganz an die Route über Buchs, wo ebenfalls für sie besondere Räumlichkeiten vorgesehen wurden. Den gleichen Weg wählen die Auswanderer der Balkanländer und die über die galizischen Grenzstationen einbrechenden Russen, die übrigens hier bei Wien berühren. Wo ein Sammeldienst organisiert ist, werden, was hauptsächlich von Ungarn gilt, die Auswanderer in geschlossenen Zügen befördert, sonst erfolgt die Auswandererbeförderung größtenteils in besonderen Wagen, auch wird ab und zu für die Verköstigung während der Landreise vorgesorgt.

v. Frey.


Auswandererhallen werden die unter behördlicher Aufsicht stehenden Herbergen genannt, die in den bedeutenderen Einschiffungshäfen Europas für jene Auswanderer errichtet sind, die dorthin zureisen und auf ihre Einschiffung nach Überseeplätzen aus irgend einem Grunde zuwarten müssen. Sie sind teils den mit der Beförderung von Auswanderern sich befassenden Reedereien angegliederte Unternehmungen, wie z. B. in Triest, Bremen und Hamburg, teils sind sie staatliche Einrichtungen, wie z. B. in Fiume und in Neapel.

Die Auswandererhallen sind aus den privaten Herbergswirtschaften hervorgegangen; ihre Errichtung war mit dem gewaltigen Anwachsen der europäischen Auswanderung aus gesundheitlichen und sittlichen Gründen zur unumgänglichen Notwendigkeit geworden. Zwar wurden die ursprünglich ganz sich selbst überlassenen privaten Auswandererherbergen schon in den letzten Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts unter staatliche Aufsicht gestellt, aber besonders in den deutschen Häfen reichte diese Maßregel zur wirksamen Durchführung des Auswandererschutzes bald nicht mehr aus. Die Hamburg-Amerika-Linie baute daher auf Veranlassung und unter Aufsicht des Staates im Jahre 1891 am Amerikakai eine eigene Auswandererherberge und nannte diese zuerst Auswandererhallen. Diese erste Anlage stellte eine Art Massenquartier dar; sie stand unter staatlicher und ärztlicher Oberaufsicht und war mit Bade- und Desinfektionsanstalten versehen. Kurze Zeit nach ihrer Eröffnung mußten letztere Anstalten erweitert werden; bei dieser Gelegenheit wurde auch für größere Bequemlichkeit der Auswanderer vorgesorgt. Die immer mehr steigende Zahl der Auswanderer ließ jedoch auch mit dieser Erweiterung nicht lange ein Auskommen finden und so entschloß sich denn die Hamburg-Amerika-Linie bereits im Jahre 1900/1901 zu einer Neuanlage, die ganz außer der Stadt auf der Veddel zur Ausführung gelangte. Nach wenigen Jahren war aber auch dieser Neubau zu enge und erfuhr daher im Jahre 1906/1907 eine Erweiterung, so daß gegenwärtig die A. über eine Fläche von 60.000 m2 ausgedehnt sind und bei einem Kostenaufwand von 3 Mill. M. für den Bau gleichzeitig 4000-5000 Menschen untergebracht werden können.

In ähnlicher Weise entwickelten sich in den meisten Einschiffungshäfen die A., wie denn überhaupt die geschilderten Anlagen überall vorbildlich geworden sind. Nur die Vereinigte Österreichische Schiffahrts-Aktien-Gesellschaft, vormals Austro-Amerikana in Triest, stellte sich von vornherein nach Aufnahme der Auswandererbeförderung von Triest nach Häfen der Vereinigten Staaten von Nordamerika im Jahre 1904 in dieser Hinsicht ein großzügiges Programm. Gleich im darauffolgenden Jahre erwarb sie das durch die Erweiterungsbauten des Triester Hafens seinem ursprünglichen Zweck entzogene Seehospiz neben dem Holzlagerplatz unterhalb Servola bei Triest und adaptierte dieses derart, daß es bei vollständiger Trennung der Männer- und Frauenabteilung einen normalen Belegraum für 900 Personen erhielt, im Notfalle aber bis zu

die Auswanderung aus Europa ganz besonders eingeschränkt hat. Sie erlitt im Jahre 1908 einen Ausfall von nicht weniger als 963.881 Personen, da nur 402.000 Auswanderer gegen 1,364.865 im Jahre 1907 nach den Vereinigten Staaten befördert wurden. Fast im gleichen Verhältnis ging aber auch die Auswanderung aus der Monarchie zurück, jedoch hebt sie sich nach Aufhören der Krise nicht nur neuerdings, sondern hat ihren früheren Durchschnitt bereits wieder erreicht.

Die wichtigsten inländischen Routen für die Auswanderer sind die über Oderberg und Tetschen im Anschluß an die deutschen Auswandererkontrollstationen Ratibor und Leipzig. Die Auswanderung aus den stärksten Auswanderungsprovinzen des Nordens der Monarchie, Galizien und der Bukowina, benutzt zumeist erstere Route, doch wird von ihr bei Einschiffung in Rotterdam, Havre oder Antwerpen auch die Route über Buchs in Benutzung genommen. Auch der Süden, Dalmatien, das Küstenland und Krain, zieht letztere Route, soferne seine Auswanderer wegen Einschiffung in Hamburg oder Bremen nicht über Leipzig gehen müssen, vor. Die Auswanderer Ungarns fahren meist über Oderberg, wo seitens der österr. Staatsbahnverwaltung eine freistehende Wartehalle mit einem Fassungsraum für 450 bis 500 Personen, nebst Dienstraum für den Arzt, Fahrkartenausgabe, Büffet, Geldwechsel, den nötigen Räumen für die Zollabfertigung u. s. w. erbaut wurde; die Auswanderer aus Kroatien und Slawonien halten sich jedoch fast ganz an die Route über Buchs, wo ebenfalls für sie besondere Räumlichkeiten vorgesehen wurden. Den gleichen Weg wählen die Auswanderer der Balkanländer und die über die galizischen Grenzstationen einbrechenden Russen, die übrigens hier bei Wien berühren. Wo ein Sammeldienst organisiert ist, werden, was hauptsächlich von Ungarn gilt, die Auswanderer in geschlossenen Zügen befördert, sonst erfolgt die Auswandererbeförderung größtenteils in besonderen Wagen, auch wird ab und zu für die Verköstigung während der Landreise vorgesorgt.

v. Frey.


Auswandererhallen werden die unter behördlicher Aufsicht stehenden Herbergen genannt, die in den bedeutenderen Einschiffungshäfen Europas für jene Auswanderer errichtet sind, die dorthin zureisen und auf ihre Einschiffung nach Überseeplätzen aus irgend einem Grunde zuwarten müssen. Sie sind teils den mit der Beförderung von Auswanderern sich befassenden Reedereien angegliederte Unternehmungen, wie z. B. in Triest, Bremen und Hamburg, teils sind sie staatliche Einrichtungen, wie z. B. in Fiume und in Neapel.

Die Auswandererhallen sind aus den privaten Herbergswirtschaften hervorgegangen; ihre Errichtung war mit dem gewaltigen Anwachsen der europäischen Auswanderung aus gesundheitlichen und sittlichen Gründen zur unumgänglichen Notwendigkeit geworden. Zwar wurden die ursprünglich ganz sich selbst überlassenen privaten Auswandererherbergen schon in den letzten Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts unter staatliche Aufsicht gestellt, aber besonders in den deutschen Häfen reichte diese Maßregel zur wirksamen Durchführung des Auswandererschutzes bald nicht mehr aus. Die Hamburg-Amerika-Linie baute daher auf Veranlassung und unter Aufsicht des Staates im Jahre 1891 am Amerikakai eine eigene Auswandererherberge und nannte diese zuerst Auswandererhallen. Diese erste Anlage stellte eine Art Massenquartier dar; sie stand unter staatlicher und ärztlicher Oberaufsicht und war mit Bade- und Desinfektionsanstalten versehen. Kurze Zeit nach ihrer Eröffnung mußten letztere Anstalten erweitert werden; bei dieser Gelegenheit wurde auch für größere Bequemlichkeit der Auswanderer vorgesorgt. Die immer mehr steigende Zahl der Auswanderer ließ jedoch auch mit dieser Erweiterung nicht lange ein Auskommen finden und so entschloß sich denn die Hamburg-Amerika-Linie bereits im Jahre 1900/1901 zu einer Neuanlage, die ganz außer der Stadt auf der Veddel zur Ausführung gelangte. Nach wenigen Jahren war aber auch dieser Neubau zu enge und erfuhr daher im Jahre 1906/1907 eine Erweiterung, so daß gegenwärtig die A. über eine Fläche von 60.000 m2 ausgedehnt sind und bei einem Kostenaufwand von 3 Mill. M. für den Bau gleichzeitig 4000–5000 Menschen untergebracht werden können.

In ähnlicher Weise entwickelten sich in den meisten Einschiffungshäfen die A., wie denn überhaupt die geschilderten Anlagen überall vorbildlich geworden sind. Nur die Vereinigte Österreichische Schiffahrts-Aktien-Gesellschaft, vormals Austro-Amerikana in Triest, stellte sich von vornherein nach Aufnahme der Auswandererbeförderung von Triest nach Häfen der Vereinigten Staaten von Nordamerika im Jahre 1904 in dieser Hinsicht ein großzügiges Programm. Gleich im darauffolgenden Jahre erwarb sie das durch die Erweiterungsbauten des Triester Hafens seinem ursprünglichen Zweck entzogene Seehospiz neben dem Holzlagerplatz unterhalb Servola bei Triest und adaptierte dieses derart, daß es bei vollständiger Trennung der Männer- und Frauenabteilung einen normalen Belegraum für 900 Personen erhielt, im Notfalle aber bis zu

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[333/0343] die Auswanderung aus Europa ganz besonders eingeschränkt hat. Sie erlitt im Jahre 1908 einen Ausfall von nicht weniger als 963.881 Personen, da nur 402.000 Auswanderer gegen 1,364.865 im Jahre 1907 nach den Vereinigten Staaten befördert wurden. Fast im gleichen Verhältnis ging aber auch die Auswanderung aus der Monarchie zurück, jedoch hebt sie sich nach Aufhören der Krise nicht nur neuerdings, sondern hat ihren früheren Durchschnitt bereits wieder erreicht. Die wichtigsten inländischen Routen für die Auswanderer sind die über Oderberg und Tetschen im Anschluß an die deutschen Auswandererkontrollstationen Ratibor und Leipzig. Die Auswanderung aus den stärksten Auswanderungsprovinzen des Nordens der Monarchie, Galizien und der Bukowina, benutzt zumeist erstere Route, doch wird von ihr bei Einschiffung in Rotterdam, Havre oder Antwerpen auch die Route über Buchs in Benutzung genommen. Auch der Süden, Dalmatien, das Küstenland und Krain, zieht letztere Route, soferne seine Auswanderer wegen Einschiffung in Hamburg oder Bremen nicht über Leipzig gehen müssen, vor. Die Auswanderer Ungarns fahren meist über Oderberg, wo seitens der österr. Staatsbahnverwaltung eine freistehende Wartehalle mit einem Fassungsraum für 450 bis 500 Personen, nebst Dienstraum für den Arzt, Fahrkartenausgabe, Büffet, Geldwechsel, den nötigen Räumen für die Zollabfertigung u. s. w. erbaut wurde; die Auswanderer aus Kroatien und Slawonien halten sich jedoch fast ganz an die Route über Buchs, wo ebenfalls für sie besondere Räumlichkeiten vorgesehen wurden. Den gleichen Weg wählen die Auswanderer der Balkanländer und die über die galizischen Grenzstationen einbrechenden Russen, die übrigens hier bei Wien berühren. Wo ein Sammeldienst organisiert ist, werden, was hauptsächlich von Ungarn gilt, die Auswanderer in geschlossenen Zügen befördert, sonst erfolgt die Auswandererbeförderung größtenteils in besonderen Wagen, auch wird ab und zu für die Verköstigung während der Landreise vorgesorgt. v. Frey. Auswandererhallen werden die unter behördlicher Aufsicht stehenden Herbergen genannt, die in den bedeutenderen Einschiffungshäfen Europas für jene Auswanderer errichtet sind, die dorthin zureisen und auf ihre Einschiffung nach Überseeplätzen aus irgend einem Grunde zuwarten müssen. Sie sind teils den mit der Beförderung von Auswanderern sich befassenden Reedereien angegliederte Unternehmungen, wie z. B. in Triest, Bremen und Hamburg, teils sind sie staatliche Einrichtungen, wie z. B. in Fiume und in Neapel. Die Auswandererhallen sind aus den privaten Herbergswirtschaften hervorgegangen; ihre Errichtung war mit dem gewaltigen Anwachsen der europäischen Auswanderung aus gesundheitlichen und sittlichen Gründen zur unumgänglichen Notwendigkeit geworden. Zwar wurden die ursprünglich ganz sich selbst überlassenen privaten Auswandererherbergen schon in den letzten Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts unter staatliche Aufsicht gestellt, aber besonders in den deutschen Häfen reichte diese Maßregel zur wirksamen Durchführung des Auswandererschutzes bald nicht mehr aus. Die Hamburg-Amerika-Linie baute daher auf Veranlassung und unter Aufsicht des Staates im Jahre 1891 am Amerikakai eine eigene Auswandererherberge und nannte diese zuerst Auswandererhallen. Diese erste Anlage stellte eine Art Massenquartier dar; sie stand unter staatlicher und ärztlicher Oberaufsicht und war mit Bade- und Desinfektionsanstalten versehen. Kurze Zeit nach ihrer Eröffnung mußten letztere Anstalten erweitert werden; bei dieser Gelegenheit wurde auch für größere Bequemlichkeit der Auswanderer vorgesorgt. Die immer mehr steigende Zahl der Auswanderer ließ jedoch auch mit dieser Erweiterung nicht lange ein Auskommen finden und so entschloß sich denn die Hamburg-Amerika-Linie bereits im Jahre 1900/1901 zu einer Neuanlage, die ganz außer der Stadt auf der Veddel zur Ausführung gelangte. Nach wenigen Jahren war aber auch dieser Neubau zu enge und erfuhr daher im Jahre 1906/1907 eine Erweiterung, so daß gegenwärtig die A. über eine Fläche von 60.000 m2 ausgedehnt sind und bei einem Kostenaufwand von 3 Mill. M. für den Bau gleichzeitig 4000–5000 Menschen untergebracht werden können. In ähnlicher Weise entwickelten sich in den meisten Einschiffungshäfen die A., wie denn überhaupt die geschilderten Anlagen überall vorbildlich geworden sind. Nur die Vereinigte Österreichische Schiffahrts-Aktien-Gesellschaft, vormals Austro-Amerikana in Triest, stellte sich von vornherein nach Aufnahme der Auswandererbeförderung von Triest nach Häfen der Vereinigten Staaten von Nordamerika im Jahre 1904 in dieser Hinsicht ein großzügiges Programm. Gleich im darauffolgenden Jahre erwarb sie das durch die Erweiterungsbauten des Triester Hafens seinem ursprünglichen Zweck entzogene Seehospiz neben dem Holzlagerplatz unterhalb Servola bei Triest und adaptierte dieses derart, daß es bei vollständiger Trennung der Männer- und Frauenabteilung einen normalen Belegraum für 900 Personen erhielt, im Notfalle aber bis zu

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Zitationshilfe: Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, Wien, 1912, S. 333. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roell_eisenbahnwesen01_1912/343>, abgerufen am 21.11.2024.