I. DIE ENTWICKELUNG DES GRIECHISCHEN MYTHOS IN KUNST UND POESIE.
Vortrag, gehalten im wissenschaftlichen Verein 1) in der Singakademie am 7. Februar 1880.
Mehr als in dem Kulturleben irgend eines anderen Volkes stehen im griechischen Altertum Kunst und Poesie in be- ständiger enger Wechselwirkung bald empfangend bald gebend; ist doch auch der Grund, aus welchem sie ihre Nahrung ziehen, ein und derselbe: "Hellas' urväterlicher Sagen göttlich helden- hafter Reichtum", die ewig junge, auch uns noch liebe und vertraute Heldensage der Griechen. Wie diese in Bild und Lied gestaltet wird, wie das Bild vom Liede abhängig ist und wiederum das Lied vom Bilde, das möchte ich versuchen, in all- gemeinen Umrissen Ihnen vorzuführen. Vorwiegend interessiert eine solche Betrachtungsweise freilich die Altertumsforschung, da sie für zwei grosse Disciplinen derselben die unerlässliche Vorbedin- gung ist -- für die Archäologie: denn nur wenn die Abhängigkeit der Kunst von der Poesie klar erkannt ist, kann eine methodische Interpretation der Denkmäler gelingen, -- für die Litteratur- geschichte: denn nur wenn die Art und die Grenzen der von der
1) Der Vortrag steht hier in seinem ursprünglichen ausführlichen Ent- wurf, nicht in der abgekürzten Form, in der er gehalten wurde.
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I. DIE ENTWICKELUNG DES GRIECHISCHEN MYTHOS IN KUNST UND POESIE.
Vortrag, gehalten im wissenschaftlichen Verein 1) in der Singakademie am 7. Februar 1880.
Mehr als in dem Kulturleben irgend eines anderen Volkes stehen im griechischen Altertum Kunst und Poesie in be- ständiger enger Wechselwirkung bald empfangend bald gebend; ist doch auch der Grund, aus welchem sie ihre Nahrung ziehen, ein und derselbe: „Hellas’ urväterlicher Sagen göttlich helden- hafter Reichtum“, die ewig junge, auch uns noch liebe und vertraute Heldensage der Griechen. Wie diese in Bild und Lied gestaltet wird, wie das Bild vom Liede abhängig ist und wiederum das Lied vom Bilde, das möchte ich versuchen, in all- gemeinen Umrissen Ihnen vorzuführen. Vorwiegend interessiert eine solche Betrachtungsweise freilich die Altertumsforschung, da sie für zwei groſse Disciplinen derselben die unerläſsliche Vorbedin- gung ist — für die Archäologie: denn nur wenn die Abhängigkeit der Kunst von der Poesie klar erkannt ist, kann eine methodische Interpretation der Denkmäler gelingen, — für die Litteratur- geschichte: denn nur wenn die Art und die Grenzen der von der
1) Der Vortrag steht hier in seinem ursprünglichen ausführlichen Ent- wurf, nicht in der abgekürzten Form, in der er gehalten wurde.
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I.
DIE ENTWICKELUNG DES GRIECHISCHEN MYTHOS
IN KUNST UND POESIE.
Vortrag, gehalten im wissenschaftlichen Verein 1) in der Singakademie
am 7. Februar 1880.
Mehr als in dem Kulturleben irgend eines anderen Volkes
stehen im griechischen Altertum Kunst und Poesie in be-
ständiger enger Wechselwirkung bald empfangend bald gebend;
ist doch auch der Grund, aus welchem sie ihre Nahrung ziehen,
ein und derselbe: „Hellas’ urväterlicher Sagen göttlich helden-
hafter Reichtum“, die ewig junge, auch uns noch liebe und
vertraute Heldensage der Griechen. Wie diese in Bild und
Lied gestaltet wird, wie das Bild vom Liede abhängig ist und
wiederum das Lied vom Bilde, das möchte ich versuchen, in all-
gemeinen Umrissen Ihnen vorzuführen. Vorwiegend interessiert
eine solche Betrachtungsweise freilich die Altertumsforschung, da
sie für zwei groſse Disciplinen derselben die unerläſsliche Vorbedin-
gung ist — für die Archäologie: denn nur wenn die Abhängigkeit
der Kunst von der Poesie klar erkannt ist, kann eine methodische
Interpretation der Denkmäler gelingen, — für die Litteratur-
geschichte: denn nur wenn die Art und die Grenzen der von der
1) Der Vortrag steht hier in seinem ursprünglichen ausführlichen Ent-
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Robert, Carl: Bild und Lied. Archäologische Beiträge zur Geschichte der griechischen Heldensage. Berlin, 1881, S. [3]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/robert_griechische_1881/17>, abgerufen am 04.03.2025.
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