tung erklären sollten, die sich bei ihrem Anblick ihrer Herzen, wider ihren Willen, bemeisterte, ihr einen Stolz beizumessen. Allein diese Leute waren sich bewußt, daß sie selbst schon auf ei- ne ihrer Vollkommenheiten stolz seyn würden. Weil sie also nach ihrem eingeschränkten Geiste urtheilten, so hielten sie es für unmöglich, daß eine Fräulein, die so viele Vollkommenheiten besäße, sich nicht in ihren Gedanken über sie alle hinweg setzen sollte.
Jch habe würklich ihr edles Ansehen tadeln und urtheilen hören, daß es einen Stolz und Verachtung andrer anzeigte. Aber Leute, denen nur ihr eigen Gewissen den demüthigenden Ge- danken eingiebt, daß sie weit unter andern Per- sonen sind, werden allezeit, sie mögen Recht oder Unrecht haben, an denen etwas zu tadeln finden, die durch die richtige Art, mit welcher sie denken und handeln, ihrem Herzen, das sich nicht viel gutes bewußt ist, eine Furcht einjagen. Allein in dem bösen Verstande wußte Fräulein Clarissa nicht, was Stolz sei.
Sie können, wenn Sie diese u. s. w.
Th. VII. S. 807. L. 23. nach den Worten: es zu verdammen.
Jch weiß sie mir, in einer starken Gesellschaft von Fräulein, noch recht zu denken, wo eine jede, und ich ebenfals nebst den übrigen, eine Unbedachtsamkeit, die das allgemeine Gerücht von einer jungen Fräulein erzählet, getadelt
hatte.
Zusätze zur Cl. S
tung erklaͤren ſollten, die ſich bei ihrem Anblick ihrer Herzen, wider ihren Willen, bemeiſterte, ihr einen Stolz beizumeſſen. Allein dieſe Leute waren ſich bewußt, daß ſie ſelbſt ſchon auf ei- ne ihrer Vollkommenheiten ſtolz ſeyn wuͤrden. Weil ſie alſo nach ihrem eingeſchraͤnkten Geiſte urtheilten, ſo hielten ſie es fuͤr unmoͤglich, daß eine Fraͤulein, die ſo viele Vollkommenheiten beſaͤße, ſich nicht in ihren Gedanken uͤber ſie alle hinweg ſetzen ſollte.
Jch habe wuͤrklich ihr edles Anſehen tadeln und urtheilen hoͤren, daß es einen Stolz und Verachtung andrer anzeigte. Aber Leute, denen nur ihr eigen Gewiſſen den demuͤthigenden Ge- danken eingiebt, daß ſie weit unter andern Per- ſonen ſind, werden allezeit, ſie moͤgen Recht oder Unrecht haben, an denen etwas zu tadeln finden, die durch die richtige Art, mit welcher ſie denken und handeln, ihrem Herzen, das ſich nicht viel gutes bewußt iſt, eine Furcht einjagen. Allein in dem boͤſen Verſtande wußte Fraͤulein Clariſſa nicht, was Stolz ſei.
Sie koͤnnen, wenn Sie dieſe u. ſ. w.
Th. VII. S. 807. L. 23. nach den Worten: es zu verdammen.
Jch weiß ſie mir, in einer ſtarken Geſellſchaft von Fraͤulein, noch recht zu denken, wo eine jede, und ich ebenfals nebſt den uͤbrigen, eine Unbedachtſamkeit, die das allgemeine Geruͤcht von einer jungen Fraͤulein erzaͤhlet, getadelt
hatte.
Zuſaͤtze zur Cl. S
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tung erklaͤren ſollten, die ſich bei ihrem Anblick
ihrer Herzen, wider ihren Willen, bemeiſterte,
ihr einen Stolz beizumeſſen. Allein dieſe Leute
waren ſich bewußt, daß ſie ſelbſt ſchon auf ei-
ne ihrer Vollkommenheiten ſtolz ſeyn wuͤrden.
Weil ſie alſo nach ihrem eingeſchraͤnkten Geiſte
urtheilten, ſo hielten ſie es fuͤr unmoͤglich, daß
eine Fraͤulein, die ſo viele Vollkommenheiten
beſaͤße, ſich nicht in ihren Gedanken uͤber ſie alle
hinweg ſetzen ſollte.
Jch habe wuͤrklich ihr edles Anſehen tadeln
und urtheilen hoͤren, daß es einen Stolz und
Verachtung andrer anzeigte. Aber Leute, denen
nur ihr eigen Gewiſſen den demuͤthigenden Ge-
danken eingiebt, daß ſie weit unter andern Per-
ſonen ſind, werden allezeit, ſie moͤgen Recht
oder Unrecht haben, an denen etwas zu tadeln
finden, die durch die richtige Art, mit welcher
ſie denken und handeln, ihrem Herzen, das ſich
nicht viel gutes bewußt iſt, eine Furcht einjagen.
Allein in dem boͤſen Verſtande wußte Fraͤulein
Clariſſa nicht, was Stolz ſei.
Sie koͤnnen, wenn Sie dieſe u. ſ. w.
Th. VII. S. 807. L. 23. nach den Worten:
es zu verdammen.
Jch weiß ſie mir, in einer ſtarken Geſellſchaft
von Fraͤulein, noch recht zu denken, wo eine
jede, und ich ebenfals nebſt den uͤbrigen, eine
Unbedachtſamkeit, die das allgemeine Geruͤcht
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 8. Göttingen, 1753, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa08_1753/281>, abgerufen am 22.02.2025.
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