Der hundert und eilste Brief von Herrn Lovelace an Herrn Joh. Belford.
Paris, den Octob.
Jch verfolge mein Letztes vom ten, bey Ge- legenheit eines Briefes, der mir eben itzo von Joseph Lehmannen zu Händen gekommen ist. Den Kerl fängt das Gewissen an zu plagen, Bru- der! Er erzählt mir, "daß er weder Tag noch "Nacht vor dem Unglück ruhen könne, zu dessen "Vollbringung er das Werkzeug gewesen zu seyn "und noch ferner zu seyn befürchtet." Er wünscht, "wenn es Gott so gefiele und ich es erlaubte, daß "er meiner Gnaden Angesicht niemals gesehen "hätte."
Und was ist wohl die Ursache von seinem ge- genwärtigen Kummer in Absicht auf ihn selbst? Was anders, als "die Geringschätzung und "Verachtung, womit ihn ein jeder von der Har- "loweischen Familie ansiehet; und diejenigen in- "sonderheit, wie er sagt, denen er sich so getreu zu "dienen beflissen hat, als es seine Verbindlichkeit "gegen mich zulassen wollte: und ich hätte ihm "allezeit eingebildet, schreibt er; so eine leicht- "gläubige Seele, als er von seiner Wiegen "an gewesen! daß auf die Länge der Dienst, "den er mir thäte, beyden Parteyen ein Dienst
"seyn
Der hundert und eilſte Brief von Herrn Lovelace an Herrn Joh. Belford.
Paris, den Octob.
Jch verfolge mein Letztes vom ten, bey Ge- legenheit eines Briefes, der mir eben itzo von Joſeph Lehmannen zu Haͤnden gekommen iſt. Den Kerl faͤngt das Gewiſſen an zu plagen, Bru- der! Er erzaͤhlt mir, „daß er weder Tag noch „Nacht vor dem Ungluͤck ruhen koͤnne, zu deſſen „Vollbringung er das Werkzeug geweſen zu ſeyn „und noch ferner zu ſeyn befuͤrchtet.“ Er wuͤnſcht, „wenn es Gott ſo gefiele und ich es erlaubte, daß „er meiner Gnaden Angeſicht niemals geſehen „haͤtte.“
Und was iſt wohl die Urſache von ſeinem ge- genwaͤrtigen Kummer in Abſicht auf ihn ſelbſt? Was anders, als „die Geringſchaͤtzung und „Verachtung, womit ihn ein jeder von der Har- „loweiſchen Familie anſiehet; und diejenigen in- „ſonderheit, wie er ſagt, denen er ſich ſo getreu zu „dienen befliſſen hat, als es ſeine Verbindlichkeit „gegen mich zulaſſen wollte: und ich haͤtte ihm „allezeit eingebildet, ſchreibt er; ſo eine leicht- „glaͤubige Seele, als er von ſeiner Wiegen „an geweſen! daß auf die Laͤnge der Dienſt, „den er mir thaͤte, beyden Parteyen ein Dienſt
„ſeyn
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Der hundert und eilſte Brief
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Herrn Lovelace an Herrn Joh. Belford.
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Jch verfolge mein Letztes vom [FORMEL]ten, bey Ge-
legenheit eines Briefes, der mir eben itzo
von Joſeph Lehmannen zu Haͤnden gekommen iſt.
Den Kerl faͤngt das Gewiſſen an zu plagen, Bru-
der! Er erzaͤhlt mir, „daß er weder Tag noch
„Nacht vor dem Ungluͤck ruhen koͤnne, zu deſſen
„Vollbringung er das Werkzeug geweſen zu ſeyn
„und noch ferner zu ſeyn befuͤrchtet.“ Er wuͤnſcht,
„wenn es Gott ſo gefiele und ich es erlaubte, daß
„er meiner Gnaden Angeſicht niemals geſehen
„haͤtte.“
Und was iſt wohl die Urſache von ſeinem ge-
genwaͤrtigen Kummer in Abſicht auf ihn ſelbſt?
Was anders, als „die Geringſchaͤtzung und
„Verachtung, womit ihn ein jeder von der Har-
„loweiſchen Familie anſiehet; und diejenigen in-
„ſonderheit, wie er ſagt, denen er ſich ſo getreu zu
„dienen befliſſen hat, als es ſeine Verbindlichkeit
„gegen mich zulaſſen wollte: und ich haͤtte ihm
„allezeit eingebildet, ſchreibt er; ſo eine leicht-
„glaͤubige Seele, als er von ſeiner Wiegen
„an geweſen! daß auf die Laͤnge der Dienſt,
„den er mir thaͤte, beyden Parteyen ein Dienſt
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 836. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/842>, abgerufen am 30.12.2024.
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