an einen Geistlichen zu gedenken, weil er gewiß eine oder zwo Stunden hernach sterben würde. Er war noch immer geneigt, wider alle Wahr- scheinlichkeit zu hoffen, daß er genesen würde, und fragte oft seine Schwester, ob sie nicht Leute eben so krank gesehen hätte, als er wäre, die beynahe zu einem Wunder, wenn jedermann sie aufgege- ben, wieder aufgekommen wären?
Sie schüttelte den Kopf, und sagte ja. Als sie sich aber einmal verlauten ließ, daß die Krank- heiten dieser Leute eine Art von hitzigen Fie- bern, und solche Zufälle, die ihre Entscheidungs- zeiten hätten, gewesen wären: so nannte er sie ei- ne Kleinmüthige und Hiobs Trösterinn, und befahl ihr, nichts zu sagen, wofern sie nicht et- was sagen könnte, das besser zur Sache diente, und sich für einen Kranken mehr zu hören schickte. Gleichwohl hat der arme Kerl selbst keine Hoff- nung: wie aus seinem verzweifelungsvollen Schre- cken offenbar ist. Ein solches und sehr fürchter- liches Schrecken übersiel ihn unter andern bald, nachdem der Arzt weggegangen war.
Mittwoch. um neun, des Abends.
Der arme Mensch hat, die vorige ganze Stun- de über, in Zuckungen, in schrecklichen Zu- ckungen gelegen. O Himmel, Lovelace, der Tod ist eine harte Sache! Bey meiner Treue, eine harte Sache! - - Jch möchte wünschen, daß du bey dieser Gelegenheit gegenwärtig wärest. Es kommt hier nicht bloß auf die Beysorge an, die
man
an einen Geiſtlichen zu gedenken, weil er gewiß eine oder zwo Stunden hernach ſterben wuͤrde. Er war noch immer geneigt, wider alle Wahr- ſcheinlichkeit zu hoffen, daß er geneſen wuͤrde, und fragte oft ſeine Schweſter, ob ſie nicht Leute eben ſo krank geſehen haͤtte, als er waͤre, die beynahe zu einem Wunder, wenn jedermann ſie aufgege- ben, wieder aufgekommen waͤren?
Sie ſchuͤttelte den Kopf, und ſagte ja. Als ſie ſich aber einmal verlauten ließ, daß die Krank- heiten dieſer Leute eine Art von hitzigen Fie- bern, und ſolche Zufaͤlle, die ihre Entſcheidungs- zeiten haͤtten, geweſen waͤren: ſo nannte er ſie ei- ne Kleinmuͤthige und Hiobs Troͤſterinn, und befahl ihr, nichts zu ſagen, wofern ſie nicht et- was ſagen koͤnnte, das beſſer zur Sache diente, und ſich fuͤr einen Kranken mehr zu hoͤren ſchickte. Gleichwohl hat der arme Kerl ſelbſt keine Hoff- nung: wie aus ſeinem verzweifelungsvollen Schre- cken offenbar iſt. Ein ſolches und ſehr fuͤrchter- liches Schrecken uͤberſiel ihn unter andern bald, nachdem der Arzt weggegangen war.
Mittwoch. um neun, des Abends.
Der arme Menſch hat, die vorige ganze Stun- de uͤber, in Zuckungen, in ſchrecklichen Zu- ckungen gelegen. O Himmel, Lovelace, der Tod iſt eine harte Sache! Bey meiner Treue, eine harte Sache! ‒ ‒ Jch moͤchte wuͤnſchen, daß du bey dieſer Gelegenheit gegenwaͤrtig waͤreſt. Es kommt hier nicht bloß auf die Beyſorge an, die
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an einen Geiſtlichen zu gedenken, weil er gewiß
eine oder zwo Stunden hernach ſterben wuͤrde.
Er war noch immer geneigt, wider alle Wahr-
ſcheinlichkeit zu hoffen, daß er geneſen wuͤrde, und
fragte oft ſeine Schweſter, ob ſie nicht Leute eben
ſo krank geſehen haͤtte, als er waͤre, die beynahe
zu einem Wunder, wenn jedermann ſie aufgege-
ben, wieder aufgekommen waͤren?
Sie ſchuͤttelte den Kopf, und ſagte ja. Als
ſie ſich aber einmal verlauten ließ, daß die Krank-
heiten dieſer Leute eine Art von hitzigen Fie-
bern, und ſolche Zufaͤlle, die ihre Entſcheidungs-
zeiten haͤtten, geweſen waͤren: ſo nannte er ſie ei-
ne Kleinmuͤthige und Hiobs Troͤſterinn, und
befahl ihr, nichts zu ſagen, wofern ſie nicht et-
was ſagen koͤnnte, das beſſer zur Sache diente,
und ſich fuͤr einen Kranken mehr zu hoͤren ſchickte.
Gleichwohl hat der arme Kerl ſelbſt keine Hoff-
nung: wie aus ſeinem verzweifelungsvollen Schre-
cken offenbar iſt. Ein ſolches und ſehr fuͤrchter-
liches Schrecken uͤberſiel ihn unter andern bald,
nachdem der Arzt weggegangen war.
Mittwoch. um neun, des Abends.
Der arme Menſch hat, die vorige ganze Stun-
de uͤber, in Zuckungen, in ſchrecklichen Zu-
ckungen gelegen. O Himmel, Lovelace, der Tod
iſt eine harte Sache! Bey meiner Treue, eine
harte Sache! ‒ ‒ Jch moͤchte wuͤnſchen, daß du
bey dieſer Gelegenheit gegenwaͤrtig waͤreſt. Es
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/68>, abgerufen am 21.11.2024.
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