ehrteste Eltern. Er lasse Euch bey Veränderung Eures ledigen Standes eine Gattinn finden, die so wohl einem jeden als Euch selbst angenehm sey. Er lasse Euch in einer Hoffnungsvollen Nachkommenschaft glücklich seyn, und unter der- selben keine Clarissa haben, die Euch Euer Ver- gnügen vergälle, wenn sie Euch das meiste Ver- gnügen geben sollte: sondern gebe, daß mein Bey- spiel den lieben Kindern, die ich ehemals noch bey meinem Leben zu sehen und zu umarmen hoffete, zu einer Warnung vor dem Bösen diene, wovon diese betrügliche Welt überfließet. Dieß ist das Gebeth
Eurer ergebenen Schwester Clarissa Harlowe.
Der siebzigste Brief An Fräulein Harlowe.
Nun möget Jhr, meine liebe Arabelle, wohl von Eurer strengen Tugend nicht gebunden seyn, daß ihr nicht eine mitleidige Thräne über die vergangenen Fehler und Leiden Eurer ehemals unglücklichen Schwester vergießen solltet: indem sie Euch itzo niemals mehr beleidigen kann. Die göttliche Gnade, welche ihr zuerst Reue einflößte; und das war eine frühzeitige Reue, weil sie vor ihrem Leiden vorherging; Reue über einen Fehler,
den
ehrteſte Eltern. Er laſſe Euch bey Veraͤnderung Eures ledigen Standes eine Gattinn finden, die ſo wohl einem jeden als Euch ſelbſt angenehm ſey. Er laſſe Euch in einer Hoffnungsvollen Nachkommenſchaft gluͤcklich ſeyn, und unter der- ſelben keine Clariſſa haben, die Euch Euer Ver- gnuͤgen vergaͤlle, wenn ſie Euch das meiſte Ver- gnuͤgen geben ſollte: ſondern gebe, daß mein Bey- ſpiel den lieben Kindern, die ich ehemals noch bey meinem Leben zu ſehen und zu umarmen hoffete, zu einer Warnung vor dem Boͤſen diene, wovon dieſe betruͤgliche Welt uͤberfließet. Dieß iſt das Gebeth
Eurer ergebenen Schweſter Clariſſa Harlowe.
Der ſiebzigſte Brief An Fraͤulein Harlowe.
Nun moͤget Jhr, meine liebe Arabelle, wohl von Eurer ſtrengen Tugend nicht gebunden ſeyn, daß ihr nicht eine mitleidige Thraͤne uͤber die vergangenen Fehler und Leiden Eurer ehemals ungluͤcklichen Schweſter vergießen ſolltet: indem ſie Euch itzo niemals mehr beleidigen kann. Die goͤttliche Gnade, welche ihr zuerſt Reue einfloͤßte; und das war eine fruͤhzeitige Reue, weil ſie vor ihrem Leiden vorherging; Reue uͤber einen Fehler,
den
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0506"n="500"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
ehrteſte Eltern. Er laſſe Euch bey Veraͤnderung<lb/>
Eures ledigen Standes eine Gattinn finden, die<lb/>ſo wohl einem jeden als Euch ſelbſt angenehm<lb/>ſey. Er laſſe Euch in einer Hoffnungsvollen<lb/>
Nachkommenſchaft gluͤcklich ſeyn, und unter der-<lb/>ſelben keine Clariſſa haben, die Euch Euer Ver-<lb/>
gnuͤgen vergaͤlle, wenn ſie Euch das <hirendition="#fr">meiſte</hi> Ver-<lb/>
gnuͤgen geben ſollte: ſondern gebe, daß mein Bey-<lb/>ſpiel den lieben Kindern, die ich ehemals noch bey<lb/>
meinem Leben zu ſehen und zu umarmen hoffete,<lb/>
zu einer Warnung vor dem Boͤſen diene, wovon<lb/>
dieſe betruͤgliche Welt uͤberfließet. Dieß iſt das<lb/>
Gebeth</p><lb/><closer><salute><hirendition="#et">Eurer ergebenen Schweſter<lb/><hirendition="#fr">Clariſſa Harlowe.</hi></hi></salute></closer></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><divn="2"><head><hirendition="#fr">Der ſiebzigſte Brief</hi><lb/><hirendition="#g">An Fraͤulein Harlowe</hi>.</head><lb/><p><hirendition="#in">N</hi>un moͤget Jhr, meine liebe Arabelle, wohl von<lb/>
Eurer ſtrengen Tugend nicht gebunden ſeyn,<lb/>
daß ihr nicht eine mitleidige Thraͤne uͤber die<lb/>
vergangenen Fehler und Leiden Eurer ehemals<lb/>
ungluͤcklichen Schweſter vergießen ſolltet: indem<lb/>ſie Euch itzo niemals mehr beleidigen kann. Die<lb/>
goͤttliche Gnade, welche ihr zuerſt Reue einfloͤßte;<lb/>
und das war eine fruͤhzeitige Reue, weil ſie vor<lb/>
ihrem Leiden vorherging; Reue uͤber einen Fehler,<lb/><fwplace="bottom"type="catch">den</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[500/0506]
ehrteſte Eltern. Er laſſe Euch bey Veraͤnderung
Eures ledigen Standes eine Gattinn finden, die
ſo wohl einem jeden als Euch ſelbſt angenehm
ſey. Er laſſe Euch in einer Hoffnungsvollen
Nachkommenſchaft gluͤcklich ſeyn, und unter der-
ſelben keine Clariſſa haben, die Euch Euer Ver-
gnuͤgen vergaͤlle, wenn ſie Euch das meiſte Ver-
gnuͤgen geben ſollte: ſondern gebe, daß mein Bey-
ſpiel den lieben Kindern, die ich ehemals noch bey
meinem Leben zu ſehen und zu umarmen hoffete,
zu einer Warnung vor dem Boͤſen diene, wovon
dieſe betruͤgliche Welt uͤberfließet. Dieß iſt das
Gebeth
Eurer ergebenen Schweſter
Clariſſa Harlowe.
Der ſiebzigſte Brief
An Fraͤulein Harlowe.
Nun moͤget Jhr, meine liebe Arabelle, wohl von
Eurer ſtrengen Tugend nicht gebunden ſeyn,
daß ihr nicht eine mitleidige Thraͤne uͤber die
vergangenen Fehler und Leiden Eurer ehemals
ungluͤcklichen Schweſter vergießen ſolltet: indem
ſie Euch itzo niemals mehr beleidigen kann. Die
goͤttliche Gnade, welche ihr zuerſt Reue einfloͤßte;
und das war eine fruͤhzeitige Reue, weil ſie vor
ihrem Leiden vorherging; Reue uͤber einen Fehler,
den
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 500. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/506>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.