Der hundert und zweyte Brief von Herrn Lovelace an Hrn. Joh. Belford.
Sonnabends, den 5ten Aug.
Jch bin durch den Jnhalt der Antwort von der Fräulein Harlowe auf den Brief meiner Base Charlotte vom verwichenen Donnerstage, die Jhr durch eben den Kerl gebracht ist, welcher mir euer Schreiben brachte, so ausnehmend be- unruhiget, daß ich kaum Gedult oder Nachden- ken genug habe, was ihr schreibet, zu erwägen.
Sie hätte in der That wohl nöthig, selbst um Barmherzigkeit von ihren Freunden zu schreyen: da sie nicht weiß, wie sie Barmherzigkeit bewei- sen soll! Sie ist eine ächte Tochter der Harlowes - - Bey meiner Seele, Bruder, sie ist eine ächte Tochter der Harlowes! Dennoch hat sie so viele vortreffliche Vorzüge, daß ich sie lieben muß, und desto mehr, so thöricht bin ich, weil sie mich ver- achtet.
Du kommst beständig, nach der gewöhn- lichen Weise liederlicher Leute, wenn sie fromm werden wollen, mit deinem verfluch- ten Unsinn vom Sterben, Sterben, Sterben, auf- gezogen; und wenn du das Wort einmal erha- schet hast, kannst du nicht umhin, es in einen je- den Absatz einzuschieben! Der Teufel hole mich,
wo
Der hundert und zweyte Brief von Herrn Lovelace an Hrn. Joh. Belford.
Sonnabends, den 5ten Aug.
Jch bin durch den Jnhalt der Antwort von der Fraͤulein Harlowe auf den Brief meiner Baſe Charlotte vom verwichenen Donnerſtage, die Jhr durch eben den Kerl gebracht iſt, welcher mir euer Schreiben brachte, ſo ausnehmend be- unruhiget, daß ich kaum Gedult oder Nachden- ken genug habe, was ihr ſchreibet, zu erwaͤgen.
Sie haͤtte in der That wohl noͤthig, ſelbſt um Barmherzigkeit von ihren Freunden zu ſchreyen: da ſie nicht weiß, wie ſie Barmherzigkeit bewei- ſen ſoll! Sie iſt eine aͤchte Tochter der Harlowes ‒ ‒ Bey meiner Seele, Bruder, ſie iſt eine aͤchte Tochter der Harlowes! Dennoch hat ſie ſo viele vortreffliche Vorzuͤge, daß ich ſie lieben muß, und deſto mehr, ſo thoͤricht bin ich, weil ſie mich ver- achtet.
Du kommſt beſtaͤndig, nach der gewoͤhn- lichen Weiſe liederlicher Leute, wenn ſie fromm werden wollen, mit deinem verfluch- ten Unſinn vom Sterben, Sterben, Sterben, auf- gezogen; und wenn du das Wort einmal erha- ſchet haſt, kannſt du nicht umhin, es in einen je- den Abſatz einzuſchieben! Der Teufel hole mich,
wo
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0708"n="702"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><divn="2"><head><hirendition="#fr">Der hundert und zweyte Brief</hi><lb/>
von<lb/><hirendition="#fr">Herrn Lovelace an Hrn. Joh. Belford.</hi></head><lb/><dateline><hirendition="#et">Sonnabends, den 5ten Aug.</hi></dateline><lb/><p><hirendition="#in">J</hi>ch bin durch den Jnhalt der Antwort von der<lb/>
Fraͤulein Harlowe auf den Brief meiner<lb/>
Baſe Charlotte vom verwichenen Donnerſtage,<lb/>
die Jhr durch eben den Kerl gebracht iſt, welcher<lb/>
mir euer Schreiben brachte, ſo ausnehmend be-<lb/>
unruhiget, daß ich kaum Gedult oder Nachden-<lb/>
ken genug habe, was ihr ſchreibet, zu erwaͤgen.</p><lb/><p>Sie haͤtte in der That wohl noͤthig, ſelbſt um<lb/>
Barmherzigkeit von ihren Freunden zu ſchreyen:<lb/>
da ſie nicht weiß, wie ſie Barmherzigkeit bewei-<lb/>ſen ſoll! Sie iſt eine aͤchte Tochter der Harlowes<lb/>‒‒ Bey meiner Seele, Bruder, ſie iſt eine aͤchte<lb/>
Tochter der Harlowes! Dennoch hat ſie ſo viele<lb/>
vortreffliche Vorzuͤge, daß ich ſie lieben muß, und<lb/>
deſto mehr, ſo thoͤricht bin ich, weil ſie mich ver-<lb/>
achtet.</p><lb/><p>Du kommſt beſtaͤndig, <hirendition="#fr">nach der gewoͤhn-<lb/>
lichen Weiſe liederlicher Leute, wenn ſie<lb/>
fromm werden wollen,</hi> mit deinem verfluch-<lb/>
ten Unſinn vom Sterben, Sterben, Sterben, auf-<lb/>
gezogen; und wenn du das Wort einmal erha-<lb/>ſchet haſt, kannſt du nicht umhin, es in einen je-<lb/>
den Abſatz einzuſchieben! Der Teufel hole mich,<lb/><fwplace="bottom"type="catch">wo</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[702/0708]
Der hundert und zweyte Brief
von
Herrn Lovelace an Hrn. Joh. Belford.
Sonnabends, den 5ten Aug.
Jch bin durch den Jnhalt der Antwort von der
Fraͤulein Harlowe auf den Brief meiner
Baſe Charlotte vom verwichenen Donnerſtage,
die Jhr durch eben den Kerl gebracht iſt, welcher
mir euer Schreiben brachte, ſo ausnehmend be-
unruhiget, daß ich kaum Gedult oder Nachden-
ken genug habe, was ihr ſchreibet, zu erwaͤgen.
Sie haͤtte in der That wohl noͤthig, ſelbſt um
Barmherzigkeit von ihren Freunden zu ſchreyen:
da ſie nicht weiß, wie ſie Barmherzigkeit bewei-
ſen ſoll! Sie iſt eine aͤchte Tochter der Harlowes
‒ ‒ Bey meiner Seele, Bruder, ſie iſt eine aͤchte
Tochter der Harlowes! Dennoch hat ſie ſo viele
vortreffliche Vorzuͤge, daß ich ſie lieben muß, und
deſto mehr, ſo thoͤricht bin ich, weil ſie mich ver-
achtet.
Du kommſt beſtaͤndig, nach der gewoͤhn-
lichen Weiſe liederlicher Leute, wenn ſie
fromm werden wollen, mit deinem verfluch-
ten Unſinn vom Sterben, Sterben, Sterben, auf-
gezogen; und wenn du das Wort einmal erha-
ſchet haſt, kannſt du nicht umhin, es in einen je-
den Abſatz einzuſchieben! Der Teufel hole mich,
wo
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 702. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/708>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.