Der ein und achtzigste Brief von Frau Norton an Fräulein Clarissa Harlowe.
Freytags, den 28ten Jul.
Meine allerliebste Fräulein.
Jch habe das Vergnügen, Jhnen zu melden, daß zu der Genesung meines Sohnes noch einmal gute Hoffnung ist. Er empfiehlt sich Jh- nen gehorsamst. Er ist sehr matt und schwach. Jch bin es ebenfalls. Dieß ist das erste mal, da ich seit verschiedenen Tagen im Stande bin, aufzusitzen und zu schreiben: sonst würde ich nicht so lange stille geschwiegen haben.
Jhr Brief an Jhre Schwester ist angekom- men und beantwortet. Sie haben vermuthlich die Antwort itzo schon. Jch wünsche, daß sie zu Jhrem Vergnügen gereichen möge: allein mir ist bange, es werde nicht seyn. Denn durch Eli- sabeth Barnes erfahre ich, daß sie bey dem Em- pfang ihres Schreibens alle in großer Bewe- gung, und sehr uneinig gewesen sind, ob es be- antwortet werden sollte oder nicht. Sie wollen nicht glauben, daß Sie sich so übel befinden, als ich, zu unsäglichem Kummer für wich, wahrneh- me. Das, was zwischen Fräulein Harlowe und
Fräu-
Der ein und achtzigſte Brief von Frau Norton an Fraͤulein Clariſſa Harlowe.
Freytags, den 28ten Jul.
Meine allerliebſte Fraͤulein.
Jch habe das Vergnuͤgen, Jhnen zu melden, daß zu der Geneſung meines Sohnes noch einmal gute Hoffnung iſt. Er empfiehlt ſich Jh- nen gehorſamſt. Er iſt ſehr matt und ſchwach. Jch bin es ebenfalls. Dieß iſt das erſte mal, da ich ſeit verſchiedenen Tagen im Stande bin, aufzuſitzen und zu ſchreiben: ſonſt wuͤrde ich nicht ſo lange ſtille geſchwiegen haben.
Jhr Brief an Jhre Schweſter iſt angekom- men und beantwortet. Sie haben vermuthlich die Antwort itzo ſchon. Jch wuͤnſche, daß ſie zu Jhrem Vergnuͤgen gereichen moͤge: allein mir iſt bange, es werde nicht ſeyn. Denn durch Eli- ſabeth Barnes erfahre ich, daß ſie bey dem Em- pfang ihres Schreibens alle in großer Bewe- gung, und ſehr uneinig geweſen ſind, ob es be- antwortet werden ſollte oder nicht. Sie wollen nicht glauben, daß Sie ſich ſo uͤbel befinden, als ich, zu unſaͤglichem Kummer fuͤr wich, wahrneh- me. Das, was zwiſchen Fraͤulein Harlowe und
Fraͤu-
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0618"n="612"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><divn="2"><head><hirendition="#fr">Der ein und achtzigſte Brief</hi><lb/>
von<lb/><hirendition="#fr">Frau Norton an Fraͤulein Clariſſa<lb/>
Harlowe.</hi></head><lb/><dateline><hirendition="#et">Freytags, den 28ten Jul.</hi></dateline><lb/><salute><hirendition="#b">Meine allerliebſte Fraͤulein.</hi></salute><lb/><p><hirendition="#in">J</hi>ch habe das Vergnuͤgen, Jhnen zu melden,<lb/>
daß zu der Geneſung meines Sohnes noch<lb/>
einmal gute Hoffnung iſt. Er empfiehlt ſich Jh-<lb/>
nen gehorſamſt. Er iſt ſehr matt und ſchwach.<lb/>
Jch bin es ebenfalls. Dieß iſt das erſte mal,<lb/>
da ich ſeit verſchiedenen Tagen im Stande bin,<lb/>
aufzuſitzen und zu ſchreiben: ſonſt wuͤrde ich nicht<lb/>ſo lange ſtille geſchwiegen haben.</p><lb/><p>Jhr Brief an Jhre Schweſter iſt angekom-<lb/>
men und beantwortet. Sie haben vermuthlich<lb/>
die Antwort itzo ſchon. Jch wuͤnſche, daß ſie<lb/>
zu Jhrem Vergnuͤgen gereichen moͤge: allein mir<lb/>
iſt bange, es werde nicht ſeyn. Denn durch Eli-<lb/>ſabeth Barnes erfahre ich, daß ſie bey dem Em-<lb/>
pfang ihres Schreibens alle in großer Bewe-<lb/>
gung, und ſehr uneinig geweſen ſind, ob es be-<lb/>
antwortet werden ſollte oder nicht. Sie wollen<lb/>
nicht glauben, daß Sie ſich ſo uͤbel befinden, als<lb/>
ich, zu unſaͤglichem Kummer fuͤr wich, wahrneh-<lb/>
me. Das, was zwiſchen Fraͤulein Harlowe und<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Fraͤu-</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[612/0618]
Der ein und achtzigſte Brief
von
Frau Norton an Fraͤulein Clariſſa
Harlowe.
Freytags, den 28ten Jul.
Meine allerliebſte Fraͤulein.
Jch habe das Vergnuͤgen, Jhnen zu melden,
daß zu der Geneſung meines Sohnes noch
einmal gute Hoffnung iſt. Er empfiehlt ſich Jh-
nen gehorſamſt. Er iſt ſehr matt und ſchwach.
Jch bin es ebenfalls. Dieß iſt das erſte mal,
da ich ſeit verſchiedenen Tagen im Stande bin,
aufzuſitzen und zu ſchreiben: ſonſt wuͤrde ich nicht
ſo lange ſtille geſchwiegen haben.
Jhr Brief an Jhre Schweſter iſt angekom-
men und beantwortet. Sie haben vermuthlich
die Antwort itzo ſchon. Jch wuͤnſche, daß ſie
zu Jhrem Vergnuͤgen gereichen moͤge: allein mir
iſt bange, es werde nicht ſeyn. Denn durch Eli-
ſabeth Barnes erfahre ich, daß ſie bey dem Em-
pfang ihres Schreibens alle in großer Bewe-
gung, und ſehr uneinig geweſen ſind, ob es be-
antwortet werden ſollte oder nicht. Sie wollen
nicht glauben, daß Sie ſich ſo uͤbel befinden, als
ich, zu unſaͤglichem Kummer fuͤr wich, wahrneh-
me. Das, was zwiſchen Fraͤulein Harlowe und
Fraͤu-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 612. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/618>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.