Der fünf und siebzigste Brief von Fräulein Clarissa Harlowe an Fräulein Howe.
Donnerstags, den 27ten Jul.
Meine liebste Fräulein Howe.
Jch erkenne mit schuldigem Dank ihre Gewo- genheit, daß Sie Herrn Hickmann zu mir gesandt, mich zu besuchen, ehe Sie Jhre beschlosse- ne Reise antreten. Hiernächst aber muß ich mit Jhnen keifen, nach der Aufrichtigkeit derjenigen Liebe, welche nicht die Liebe seyn könnte, die sie ist, wenn sie diese bindende Freyheit nicht leiden wollte, daß Sie es aufgeschoben haben, die ab- schlägige Antwort zu geben, welche ich Sie mit so reifer Ueberlegung inständigst gebeten hatte, den Anverwandten des Herrn Lovelacens zu ver- melden.
Es ist mir leid, daß ich genöthigt bin, Jh- nen, meine Wertheste, die mich so wohl kennen, noch einmal zu sagen, daß, wenn ich auch noch viele Jahre leben sollte; ich Herrn Lovelacen nicht haben wollte: viel weniger kann ich an ihn gedenken, da es wahrscheinlich ist, daß ich nicht eines mehr erleben werde.
Was die Welt und ihre Urtheile betrifft: so wissen Sie, liebste Freundinn, daß ich zwar
allezeit
Der fuͤnf und ſiebzigſte Brief von Fraͤulein Clariſſa Harlowe an Fraͤulein Howe.
Donnerſtags, den 27ten Jul.
Meine liebſte Fraͤulein Howe.
Jch erkenne mit ſchuldigem Dank ihre Gewo- genheit, daß Sie Herrn Hickmann zu mir geſandt, mich zu beſuchen, ehe Sie Jhre beſchloſſe- ne Reiſe antreten. Hiernaͤchſt aber muß ich mit Jhnen keifen, nach der Aufrichtigkeit derjenigen Liebe, welche nicht die Liebe ſeyn koͤnnte, die ſie iſt, wenn ſie dieſe bindende Freyheit nicht leiden wollte, daß Sie es aufgeſchoben haben, die ab- ſchlaͤgige Antwort zu geben, welche ich Sie mit ſo reifer Ueberlegung inſtaͤndigſt gebeten hatte, den Anverwandten des Herrn Lovelacens zu ver- melden.
Es iſt mir leid, daß ich genoͤthigt bin, Jh- nen, meine Wertheſte, die mich ſo wohl kennen, noch einmal zu ſagen, daß, wenn ich auch noch viele Jahre leben ſollte; ich Herrn Lovelacen nicht haben wollte: viel weniger kann ich an ihn gedenken, da es wahrſcheinlich iſt, daß ich nicht eines mehr erleben werde.
Was die Welt und ihre Urtheile betrifft: ſo wiſſen Sie, liebſte Freundinn, daß ich zwar
allezeit
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Der fuͤnf und ſiebzigſte Brief
von
Fraͤulein Clariſſa Harlowe an Fraͤulein
Howe.
Donnerſtags, den 27ten Jul.
Meine liebſte Fraͤulein Howe.
Jch erkenne mit ſchuldigem Dank ihre Gewo-
genheit, daß Sie Herrn Hickmann zu mir
geſandt, mich zu beſuchen, ehe Sie Jhre beſchloſſe-
ne Reiſe antreten. Hiernaͤchſt aber muß ich mit
Jhnen keifen, nach der Aufrichtigkeit derjenigen
Liebe, welche nicht die Liebe ſeyn koͤnnte, die ſie
iſt, wenn ſie dieſe bindende Freyheit nicht leiden
wollte, daß Sie es aufgeſchoben haben, die ab-
ſchlaͤgige Antwort zu geben, welche ich Sie mit
ſo reifer Ueberlegung inſtaͤndigſt gebeten hatte,
den Anverwandten des Herrn Lovelacens zu ver-
melden.
Es iſt mir leid, daß ich genoͤthigt bin, Jh-
nen, meine Wertheſte, die mich ſo wohl kennen,
noch einmal zu ſagen, daß, wenn ich auch noch
viele Jahre leben ſollte; ich Herrn Lovelacen
nicht haben wollte: viel weniger kann ich an ihn
gedenken, da es wahrſcheinlich iſt, daß ich nicht
eines mehr erleben werde.
Was die Welt und ihre Urtheile betrifft:
ſo wiſſen Sie, liebſte Freundinn, daß ich zwar
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 562. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/568>, abgerufen am 21.11.2024.
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