Der vierzigste Brief von Hrn. Belford an Hrn. Robert Lovelace.
Sonntags Abends, den 16ten Jul.
Was für einen verfluchten Handel hast du mit dem vortrefflichsten unter allen Frau- enzimmern getrieben! Es mag nun ein Vorge- ben Ernst, oder Scherz seyn; wie du willst: so wird die arme Fräulein gewiß nicht lange dein, oder des Glückes, Spiel seyn.
Jch will dir eine Nachricht von einem Auf- zuge geben, dem nur ihre rührende Feder fehlet, ihn recht vorzustellen: so würde er alle dein schwarzes Blut aus deinem schwielichten Herzen pressen.
Du allein, der du die Ursache ihrer Drang- sale bist, hättest ihr in ihrem Gefängnisse auf- warten sollen. Jch bin einem solchen Amte nicht gewachsen: und weiß auch nicht anders, als daß es ein jeder anderer Mensch eben so wenig seyn würde.
Diese letzte That hat dein grausames Werk vollendet. Wenn sie gleich wider deine Absicht geschehen ist: so ist sie doch eine Folge von deinen überhaupt ausgestellten Befehlen; und konnte nur mit allzu vieler Wahrscheinlichkeit von denen, die deine andere Schandthaten gegen die Fräu- lein wissen, für einen dir angenehmen Dienst an-
gese-
Der vierzigſte Brief von Hrn. Belford an Hrn. Robert Lovelace.
Sonntags Abends, den 16ten Jul.
Was fuͤr einen verfluchten Handel haſt du mit dem vortrefflichſten unter allen Frau- enzimmern getrieben! Es mag nun ein Vorge- ben Ernſt, oder Scherz ſeyn; wie du willſt: ſo wird die arme Fraͤulein gewiß nicht lange dein, oder des Gluͤckes, Spiel ſeyn.
Jch will dir eine Nachricht von einem Auf- zuge geben, dem nur ihre ruͤhrende Feder fehlet, ihn recht vorzuſtellen: ſo wuͤrde er alle dein ſchwarzes Blut aus deinem ſchwielichten Herzen preſſen.
Du allein, der du die Urſache ihrer Drang- ſale biſt, haͤtteſt ihr in ihrem Gefaͤngniſſe auf- warten ſollen. Jch bin einem ſolchen Amte nicht gewachſen: und weiß auch nicht anders, als daß es ein jeder anderer Menſch eben ſo wenig ſeyn wuͤrde.
Dieſe letzte That hat dein grauſames Werk vollendet. Wenn ſie gleich wider deine Abſicht geſchehen iſt: ſo iſt ſie doch eine Folge von deinen uͤberhaupt ausgeſtellten Befehlen; und konnte nur mit allzu vieler Wahrſcheinlichkeit von denen, die deine andere Schandthaten gegen die Fraͤu- lein wiſſen, fuͤr einen dir angenehmen Dienſt an-
geſe-
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0276"n="270"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><divn="2"><head><hirendition="#fr">Der vierzigſte Brief</hi><lb/>
von<lb/><hirendition="#fr">Hrn. Belford an Hrn. Robert Lovelace.</hi></head><lb/><dateline><hirendition="#et">Sonntags Abends, den 16ten Jul.</hi></dateline><lb/><p><hirendition="#in">W</hi>as fuͤr einen verfluchten Handel haſt du<lb/>
mit dem vortrefflichſten unter allen Frau-<lb/>
enzimmern getrieben! Es mag nun ein Vorge-<lb/>
ben Ernſt, oder Scherz ſeyn; wie du willſt: ſo<lb/>
wird die arme Fraͤulein gewiß nicht lange dein,<lb/>
oder des Gluͤckes, Spiel ſeyn.</p><lb/><p>Jch will dir eine Nachricht von einem Auf-<lb/>
zuge geben, dem nur ihre ruͤhrende Feder fehlet,<lb/>
ihn recht vorzuſtellen: ſo wuͤrde er alle dein<lb/>ſchwarzes Blut aus deinem ſchwielichten Herzen<lb/>
preſſen.</p><lb/><p>Du allein, der du die Urſache ihrer Drang-<lb/>ſale biſt, haͤtteſt ihr in ihrem Gefaͤngniſſe auf-<lb/>
warten ſollen. Jch bin einem ſolchen Amte nicht<lb/>
gewachſen: und weiß auch nicht anders, als daß<lb/>
es ein jeder anderer Menſch eben ſo wenig ſeyn<lb/>
wuͤrde.</p><lb/><p>Dieſe letzte That hat dein grauſames Werk<lb/>
vollendet. Wenn ſie gleich wider deine Abſicht<lb/>
geſchehen iſt: ſo iſt ſie doch eine Folge von deinen<lb/>
uͤberhaupt ausgeſtellten Befehlen; und konnte<lb/>
nur mit allzu vieler Wahrſcheinlichkeit von denen,<lb/>
die deine andere Schandthaten gegen die Fraͤu-<lb/>
lein wiſſen, fuͤr einen dir angenehmen Dienſt an-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">geſe-</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[270/0276]
Der vierzigſte Brief
von
Hrn. Belford an Hrn. Robert Lovelace.
Sonntags Abends, den 16ten Jul.
Was fuͤr einen verfluchten Handel haſt du
mit dem vortrefflichſten unter allen Frau-
enzimmern getrieben! Es mag nun ein Vorge-
ben Ernſt, oder Scherz ſeyn; wie du willſt: ſo
wird die arme Fraͤulein gewiß nicht lange dein,
oder des Gluͤckes, Spiel ſeyn.
Jch will dir eine Nachricht von einem Auf-
zuge geben, dem nur ihre ruͤhrende Feder fehlet,
ihn recht vorzuſtellen: ſo wuͤrde er alle dein
ſchwarzes Blut aus deinem ſchwielichten Herzen
preſſen.
Du allein, der du die Urſache ihrer Drang-
ſale biſt, haͤtteſt ihr in ihrem Gefaͤngniſſe auf-
warten ſollen. Jch bin einem ſolchen Amte nicht
gewachſen: und weiß auch nicht anders, als daß
es ein jeder anderer Menſch eben ſo wenig ſeyn
wuͤrde.
Dieſe letzte That hat dein grauſames Werk
vollendet. Wenn ſie gleich wider deine Abſicht
geſchehen iſt: ſo iſt ſie doch eine Folge von deinen
uͤberhaupt ausgeſtellten Befehlen; und konnte
nur mit allzu vieler Wahrſcheinlichkeit von denen,
die deine andere Schandthaten gegen die Fraͤu-
lein wiſſen, fuͤr einen dir angenehmen Dienſt an-
geſe-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/276>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.